Blutgrab
spärlich bekleidete Dame, die sich lasziv im Spiel zwischen Licht und Schatten räkelte. Der Fotograf war ein Künstler - er hatte es geschafft, die Frau ansprechend in Szene zu setzen, ohne ihr zu viel von ihrer nackten Schönheit zu entlocken.
»Ach die«, brummte Ulbricht und errötete. Mit dem großen Foto im Rahmen verband er Erinnerungen an seinen ersten Besuch im Weserbergland. Das Bild zeigte - Maja.
Als sie ihren ersten gemeinsamen Fall gelöst hatten, war er bei einem Fotografen über den geschmackvollen Akt gestolpert und hatte die unbekleidete Kommissarin sofort erkannt. Sie hatte ihm das Bild schließlich an ihrem letzten gemeinsamen Abend in Hameln geschenkt, und er hatte es nach seiner Rückkehr gleich im Flur seiner Wohnung aufgehängt. An einer günstigen Stelle, wie Ulbricht fand, denn hinter dem Bild war die Tapete besonders fleckig. Nun verdeckte das Bild der nackten Maja die unansehnliche Wand.
»Du hast es im Eingangsbereich deiner Wohnung aufgehängt?«, fragte Maja.
»Ich… es… also, es stört doch nicht. Ist nichts Unanständiges zu sehen, und ich war der Meinung, dass nun…« Ulbricht brach ab. »Ich meine, mich besucht doch niemand.«
»So etwas gehört ins Schlafzimmer«, rügte sie ihn dennoch. »In einen Raum, den nicht jeder Besucher gleich betritt, so wie den Flur deiner Wohnung.«
»Hier war seitdem niemand zu Besuch - und das Bild hängt schon fast drei Jahre an seinem Platz.«
»Und der Heizungsableser?«
»Schätzt schon seit Jahren und setzt keinen Fuß über meine Schwelle.«
»Das beruhigt mich.«
Sie lächelte, trat zu ihm und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. Ulbricht erstarrte zur Salzsäule, dann begann er, ihre Liebkosungen zu genießen. Erst das lautstarke Knurren seines Magens ließ sie auseinanderfahren.
Maja lächelte sanft zu ihm auf. »Ich hab auch Hunger.«
»Dann werde ich dich jetzt verwöhnen.« Er grinste schief. »Mir nach.« Ohne sich umzusehen, ging er in die Küche. Den Müll herunterzubringen, hatte er natürlich vergessen. Auch der Abwasch türmte sich in der Spüle. Die Spülmaschine der alten Einbauküche, die er damals angeschafft hatte, funktionierte schon seit Jahren nicht mehr. Eine Reparatur machte aufgrund des Alters keinen Sinn mehr, und eine neue Spülmaschine anzuschaffen, lohnte sich nicht für den alleinstehenden Kommissar. Doch in diesem Moment bewertete er die Wichtigkeit einer Spülmaschine ganz anders.
Maja sank wie automatisch auf einen Stuhl am kleinen Küchentisch und stützte das Kinn mit einem Lächeln in die Hände, um ihn zu beobachten.
Ulbricht warf einen Blick in den dumpf brummenden Kühlschrank, zuckte unbeholfen die Schultern und beugte sich in das Gefrierfach.
»Nichts drin - außer Licht«, murmelte er ein wenig hilflos. Als er sich zu ihr umwandte, sah er, wie sie aufmerksam die alte Kork-Pinnwand betrachtete. Neben dem städtischen Abfallkalender und einigen uralten Ansichtskarten hingen dort auch die Flyer der Imbiss-Lieferdienste.
»Du lässt kochen«, stellte sie lächelnd fest. »Dann vielleicht auch heute?«
»Es wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben.« Er nahm die Prospekte von der Korkwand und fächerte sie durch. »Meine Köche sind in der internationalen Küche etabliert. Wonach ist dir denn heute? Ich habe griechisch, türkisch, italienisch, chinesisch und deutsche Küche im Angebot.«
»Wie wäre es mit dem Chinamann deines Vertrauens?«
»Gern.« Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich im Mantel zu Maja. Erst jetzt bemerkte er, dass sie auch noch ihre Jacke trug.
»Möchtest du dich nicht ausziehen?«
»Wie bitte?« Sie erhob sich und streifte die Jacke ab, dann setzte sie sich wieder zu ihm. »Das muss erst mal genügen.« Er grinste nur und blätterte ein wenig hilflos im Prospekt eines China-Imbisses.
»Ente«, sagte Maja, die ihn lächelnd betrachtete. »Nichts Besonderes. Einfach eine knusprige Ente und irgendeine süßsaure Soße. Und vielleicht eine Flasche Weißwein.«
Ulbricht war erleichtert, dass Maja ihm die Entscheidung abgenommen hatte. »Okay«, sagte er und erhob sich, um das Telefon aus der Ladestation im Flur zu holen. »Zweimal die Knusperente und zwei Flaschen Wein.«
Als er an die Kommode mit dem Telefon trat, sah er das hektische Blinken seines Anrufbeantworters. Ulbricht zögerte. Er war totmüde, frustriert über die mäßigen Ermittlungserfolge und hatte Damenbesuch -den ersten seit fast drei Jahrzehnten.
Eigentlich hatte er
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