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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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erzähle ich dir ein andermal. Genieß lieber die Aussicht.« Taddeusz deutete nach unten, wo die Wahrzeichen der
City auftauchten. Sie flogen über Kensington, Sam entdeckte das leuchtende Band der Chelsea Bridge, die Schienenstränge, die in die Victoria Station einmündeten, dahinter ragte Westminster Cathedral auf. War das Würfelchen dort unten etwa Buckingham Palace? Ob die Queen gerade vor dem Fernseher saß? Vielleicht guckte sie sogar zum Himmel und sah Samantha über sich vorbeiflitzen. Dort war das Gebäude des New Scotland Yard, Westminster Abbey zur Rechten. Sie flogen ans gegenüberliegende Ufer; das Lichtermeer um die Millenium Bridge war ein einziges Strahlen.
    »Was ist das?«, schrie Sam ins Mikrofon. Teddie beugte sich zu ihr. Unweit des Oxo Tower hatte es einen Unfall gegeben, das Blaulicht der Einsatzfahrzeuge blinkte zu ihnen hoch. Sam starrte aus der gläsernen Kapsel, bewunderte die Einmaligkeit der Stadt, ohne sie in der kurzen Zeit wahrhaft erfassen zu können. Bald darauf drehten sie um, kehrten in großem Bogen nach Westen zurück, streiften die Ausläufer des Parks und fanden sich mit einer überraschenden Wendung über dem Belgrave Square ein, wo der Pilot die Libelle geschickt im Hof des Kóranyi-Hauses aufsetzte. Sam löste den Sicherheitsgurt, ihre Hände zitterten, Teddie half ihr beim Abnehmen des Headset.
    »Das war sagenhaft!« Nach dem Verklingen der Motoren sprach sie viel zu laut.
    »Ist doch praktischer als mit der Underground, stimmt’s?«
    »Teddie, du hast mir schon so viel Schönes geschenkt … Wie komme ich denn zu dem Glück?« Sie wusste nicht weiter.
    »Du bist eine besondere Person und verdienst eine besondere Behandlung.«
    Der Satz erschien ihr seltsam kühl für das, was sie gerade zusammen erlebten. Sie hätte gerne ihre Gefühle zum Ausdruck gebracht, wollte das Gleiche aus seinem Mund hören,
aber Taddeusz sprang aus dem Helikopter und half ihr beim Aussteigen. Wahrscheinlich will er solche Dinge nicht vor dem Piloten besprechen, beruhigte sich Sam und folgte Teddie nach drinnen.

9
    V or ein paar Tagen hatte der Eingang des Hauses abwei send und düster auf sie gewirkt, heute war alles hell erleuchtet. Überall brannten Kerzen, auf Piedestalen und in Nischen standen vielarmige Leuchter, in denen es flackerte.
    »Was wird denn diesmal gefeiert?« An dem festlichen Ort kam sich Sam in ihrer Schwesterntracht ziemlich mickerig vor.
    »Es ist ein außergewöhnlicher Abend.« Taddeusz führte sie weiter, vorbei an dem Saal, in dem das Dinner stattgefunden hatte, vorbei an den Türen, hinter denen sich die Zimmer verbargen; umflackert vom Licht der Kanderlaber, führte er seine Begleiterin höher und höher. Als sie das oberste Stockwerk fast erreicht hatten, zwang ein ungewöhnlicher Anblick sie stehen zu bleiben. Eine Tür war offen, und auch wenn Teddie rasch vorüberwollte, warf Sam einen Blick hinein. Das Zimmer war überraschend schlicht eingerichtet, keine marmornen Böden und Gesimse, keine kostbaren Tapeten und Vorhänge, der Raum hatte etwas von einer Studentenbude. Die Wände waren sonnengelb, ein paar IKEA-Möbel standen da, ein windschiefes Bücherregal, sie entdeckte Hanteln und helle Klamotten, die unordentlich verstreut lagen, und eine Plüschtiersammlung – Stoffratten, Wölfe und Vögel. Inmitten des Zimmers lag der Sechzehnjährige, den Sam bei ihrem
ersten Besuch unter so merkwürdigen Umständen beobachtet hatte. Hier hauste offenbar Richard, Taddeusz’ jüngerer Brüder, der Junge mit dem gescheitelten Haar und der Brille. Warum lag er da? Als Krankenschwester erkannte Sam sofort, dass er eine Infusion bekam. An dem fahrbaren Gestell baumelten zwei Beutel, deren undurchsichtige Schläuche sich zu einem vereinten und in seinen Körper mündeten. Sam stutzte: Der Schlauch führte nicht in Richards Arm, sondern endete an einem Punkt unter seinem Hals. Das war keine gewöhnliche Infusion, hier hatte jemand einen Katheter gelegt. Der Patient musste Sams Anwesenheit gespürt haben, denn er hob den Kopf.
    »Hallo«, sagte sie. »Wie geht’s?«
    Plötzlich fühlte sie sich hart angepackt und weitergezogen. »Komm«, zischte Taddeusz. »Das brauchst du nicht zu sehen.«
    »Was fehlt ihm denn?«
    »Nichts Ernstes.« Sie ließen das seltsame Zimmer hinter sich. »Dickie ist ein Hypochonder, er ist verweichlicht, wie es in reichen alten Familien manchmal vorkommt.«
    »Was meinst du damit?«
    »Er bräuchte sich nur anständig zu ernähren, dann gäbe

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