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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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Schwesternkittel und ließ ihn zu Boden fallen. Nur mit ihren Dessous am Leib kam Sam zu ihrem zärtlichen Geliebten zurück.

    Nicht nur Samantha war in diesen Minuten erregt und zu ungewöhnlichen Handlungen bereit. Zwei Stockwerke tiefer erging es ihrem Altersgenossen genauso. Richard Kóranyi hing noch am Tropf der Infusion, gleichzeitig drängte es ihn, dem jungen Mädchen nachzugehen, um sie vor einem lebensbedrohlichen Fehler zu bewahren. Richard ahnte, weshalb die Besucherin in dieses Haus gebracht worden war, und doch hätte er den schrecklichen Grund keiner Menschenseele anvertrauen können. Denn darin lag das Problem: Samantha war eine Menschenseele! Er richtete seinen geschwächten Körper auf, fühlte den Schmerz, den der Speiseröhrenschnitt in seinem Innern verursachte. Mit Müh und Not schaffte er es, die Beine auf den Boden zu setzen und in seine alten Turnschuhe zu schlüpfen. Er trug nichts als ein T-Shirt mit der Aufschrift
Let the Sunshine in! und karierte Boxershorts, aber sein Aussehen war ihm egal, solange er das Schlimmste verhindern konnte. Er klemmte den Infusionsschlauch unter die Achsel, versuchte aufzustehen und erschrak, wie schwach er war. Es gelang ihm nur hochzukommen, weil er sich an dem Gestell festhielt, von dem die Beutel baumelten. Dickie klammerte sich an den fahrbaren Galgen, das Gestell drohte zu kippen, er machte einen unbeholfenen Ausfallschritt, stellte die Balance wieder her und schlurfte neben dem Ständer langsam auf die Tür zu. Viel zu langsam für seine Ungeduld! Er holperte mit dem sperrigen Ding über die Schwelle, gelangte ins Treppenhaus und lauschte auf ein Geräusch, das ihm hätte Auskunft geben können, was im Turm vorging. Richard wusste, weshalb das Gebäude so festlich erleuchtet war, er kannte den uralten Brauch, dessen Vollzug und das Ergebnis. Er fürchtete sich, in die Prozedur einzugreifen, mehr noch fürchtete er aber für das arme Mädchen.
    Richard erreichte die Treppe. Dreimal verdammt, dachte er, dass wir in all den Jahrhunderten, die uns das Haus schon gehört, noch keinen Fahrstuhl eingebaut haben. Das ist Papas Eigensinn, sein unbedingter Wille, die Tradition der Kóranyis zu bewahren. Von wegen Tradition!, keuchte Richard, während er das Gestell die Stufen hochhievte. Der Alte ist ja sonst nicht zimperlich, wenn es darum geht, unsere Bedürfnisse der Zeit anzupassen. Das Treppensteigen ging flotter als erwartet, die Kandelaber tauchten auf, dahinter das schwarze Holz von Teddies Tür. Ärgerlicherweise quietschten die Rollen des Infusionsständers, weshalb ein lautloses Vorwärtskommen schwierig war. Vorsichtig drehte Richard den Knauf und schob den Türflügel zentimeterweise nach innen. Er sah den Esstisch, den Suppenteller, das grüne Getränk. Er hat ihr den Akkordiasz bereits eingeflößt, begriff
Richard mit Schrecken, schob seinen Galgen ein Stück weiter – und hakte fest.
    Es war nur eine kleine Vertiefung, die zur Arretierung der Tür in den Marmor gefräst worden war, aber der Rollfuß des Metallständers rutschte hinein und war nicht mehr zu bewegen. Er zerrte und hievte und bemühte sich, dabei kein Geräusch zu machen. Es half nichts: Zwischen Tür und Angel blieb der junge Kóranyi stecken, und das Schlimmste war: Er musste der Liebesszene zusehen, die unter dem Baldachin aus schwarzem Brokat im Gange war. Es war nicht festzustellen, wer wen verführte, zu sehr waren das Mädchen und sein Bruder leidenschaftlich ineinander verschlungen. Ihr rotes Haar wirkte wie ein Flammenbündel, ihre Haut war weiß, die Figur schlank und sportlich, wie schön sie war! Richard hatte nicht die Angewohnheit, anderen Leuten beim Sex zuzusehen, unter allen anderen Umständen hätte er sich zurückgezogen, aber das verdammte Rad hing immer noch fest. Was sollte er tun, die Augen schließen? Oder die Liebenden anschreien, sofort aufzuhören? Warum nicht, dachte er. Wenn es ihm gelang, Sam so zu erschrecken, dass sie von Teddie abließ, wäre das Schlimmste noch zu verhindern. Richard holte tief Luft und schrie. Doch sein Schrei mischte sich mit den glücklichen Lauten von Teddie und Samantha, die einander im Gefühl völliger Hingabe in den Armen lagen. Richard war zu spät gekommen. Er konnte nichts mehr ausrichten, er hatte wie immer versagt. Darum würde er stets bleiben, was er war: Das weiße Schaf unter den Kóranyis, der friedliebende, sanfte Dickie, während sein Vater und sein Bruder jeden Kampf aufnahmen – und gewannen. Sein Schicksal

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