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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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    »Also bis später!« Ohne ihre Reaktion abzuwarten, rauschte Richard mit wehenden Mantelschößen nach draußen.
    Eine seltsame Prozession kam ihm entgegen: Eine Frau lag auf einer Bahre und wurde von niemand Geringerem als Sir Alexander Kennock geschoben. Ihn flankierten seine Oberärzte. Die Automatiktür schwang auf, Sam trat zur Seite und beobachtete, wie Sir Kennock Mrs Halifax in die Station brachte.
    »Sie haben die Ehre, vom Chef persönlich chauffiert zu werden«, lachte der Chirurg und war vorüber.

    Sams Gedanken wandten sich dem kleinen Andrew zu, der gerade auf die Operation vorbereitet wurde. Mit einem Seufzer verscheuchte sie die merkwürdige Szene von vorhin und kehrte auf ihren Posten zurück.

12
    Sam hatte nicht zu der Verabredung mit Richard gehen wollen. Aber kurz vor Mitternacht war sie aufnahmebereiter als in den Stunden davor, ja, sie sehnte sich förmlich danach, mit jemandem zu sprechen. Der Grund war: Mrs Halifax hatte im letzten Moment einen Rückzieher gemacht. Sam erfuhr, dass Sir Kennock die Spenderin noch einmal über die Risiken der Operation belehrt hatte, zugleich aber die beruhigende Statistik nannte, wonach nur 0,7% der Spender während des Eingriffs gestorben seien. Diese null Komma sieben Prozentpunkte reichten für Mrs Halifax aus: Sie hatte zuerst über plötzliche Beschwerden geklagt, schließlich aber klipp und klar erklärt, sie habe eine Familie, was sollten ihre Kinder machen, wenn sie aus der Narkose nicht wieder erwachte? Sir Kennock hatte ihren Stimmungsumschwung zuerst nicht ernst genommen und gesagt, der Patient, dessen Leben sie rette, sei auch ein Kind. Mrs Halifax blieb dabei, bat für ihre Entscheidung um Verständnis und verließ die Abteilung nicht auf der Krankenbahre, sondern auf ihren zwei Beinen. Ratlos war das Operationsteam in seinen blauen Kitteln dagestanden, Kennock hatte wütend die Chirurgenmaske in die Ecke geworfen. Die Assistenzärzte hatten den OP aufgeräumt und das Licht gelöscht. Da Sir Kennock nicht mehr ansprechbar war, hatte es ein Oberarzt übernehmen müssen, Andrews Mutter die unangenehme Neuigkeit mitzuteilen.

    Kurz vor Mitternacht entließ Tante Margret Samantha. Sie ging auf ihr Zimmer, setzte sich traurig aufs Bett und sah den Jungen vor sich, der immer noch an den lebenserhaltenden Maschinen hing und dessen Leidensweg nun also weiterging. Sie ertrug es nicht lange in der engen Kammer, wechselte ihre Arbeitsmontur gegen Jeans und Pulli, fuhr mit der Bürste durchs Haar und lief nach oben. Wie gerne wäre sie jetzt mit Teddie zusammen gewesen, hätte in seinem Arm gelegen und sich von ihm trösten lassen.
    Die Cafeteria war dunkel, es herrschte Stille im Eingangsbereich; weiter hinten thronte der Nachtpförtner im Lichtkreis seiner Kabine. Ist denn auf niemanden Verlass, dachte Sam. Erst verschwindet Teddie sang- und klanglos nach unserer gemeinsamen Nacht, dann haut Mrs Halifax ab und jetzt versetzt mich auch noch Richard! Enttäuscht lief sie unter das gewaltige Kunststoffdach, das den Innenhof überspannte. Sie hob den Kopf, um den Sternenhimmel zu sehen – da wäre sie beinahe über ein Paar Beine gefallen.
    Richard lag im Schatten einer Säule, der Mantel bedeckte ihn. Zuerst nahm Sam an, er sei während des Wartens eingeschlafen, doch als sie sich bückte, entdeckte sie sein blutleeres Gesicht, die eingesunkenen Augen; der Bursche war ohnmächtig.
    »Richard, was ist, komm, wach auf!« Sie hockte sich neben ihn, schüttelte ihn, besann sich dann aber, was man bei Menschen mit Kreislaufschwäche zu tun hatte. Sie zog ihren Pulli aus und legte ihn unter seinen Kopf. Sie holte einen Abfallbehälter und lagerte Richards Beine auf dem Blechding hoch. Während sie überlegte, ob sie seinen Puls messen oder lieber gleich einen Arzt holen sollte, schlug der junge Mann plötzlich die Augen auf.
    »Oh nein, ist es schon wieder passiert?«, wisperte er.

    »Nicht sprechen.« Sie nahm sein Handgelenk und suchte eine Ader. Als sie den Pulsschlag nicht gleich ertastete, schob sie seinen Ärmel hoch.
    »Da wirst du kein Glück haben.«
    »Womit?«
    »Ich habe keinen Puls.«
    Schon wieder das unsinnige Gerede. »Jeder, der lebt, hat einen Puls. Gleich habe ich ihn.«
    »Ja, jeder, der lebt .« Er wollte sich aufrichten.
    »Liegen bleiben. Sonst klappst du gleich wieder zusammen.«
    Abrupt entzog er ihr seine Hand. »Samantha, du darfst meinen Bruder nicht lieben!«
    Also daher weht der Wind: Der Junge war eifersüchtig

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