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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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wurde durch das Verwerfliche der Leichenschändung zunichtegemacht. Zum ersten Mal gestand sie sich ein, dass die Liebe zu diesem Mann – zu dieser Kreatur - widernatürlich war. Sie musste sich ihre Liebe aus dem Herzen reißen, wollte sie nicht daran zugrunde gehen.
    »Aus dem Herzen reißen«, sagte sie in das stille Totenzimmer hinein. Die Erinnerung an ihren Traum war plötzlich da. Aus dem Herzen reißen?

26
    A ber es war nur ein Traum«, flüsterte Samantha. »Oder war es doch mehr?«
    Zum zweiten Mal an diesem Vormittag starrte sie auf Margrets Computerbildschirm. Das Büro war leer, Andrews Operation dauerte noch an. Sams Finger flogen über die Tasten. Wie beim letzten Mal fand sie unter dem Begriff »Bariactar-Kirsche« keinen Eintrag. Sie gab »Stärkungsmittel« ein, darauf »Herz-Kreislauf-Stärkung«, und als das auch kein entsprechendes Ergebnis brachte, den Suchbegriff »Blutreinigung«. Eine
lange Reihe von Kräutern tauchte auf, Sam scrollte die Liste nach unten: Ackerschachtelhalm, Allmannsharnisch, Angelika, Bachbunge, Barhyaghtar, Birke, Brennnessel. Als sie schon bei »Frauengüldenkraut« angelangt war, fiel es ihr plötzlich auf, hastig ruckte sie die Maus wieder nach oben; da stand es: Barhyaghtar! Aufgeregt klickte Samantha es an.
    Barhyaghtar . Abart der Tollkirsche (Atropa), Nachtschattengewächs. Ausdauernde, krautige Pflanze, bis zu 80 cm hoch. Langstielig, einzellige Köpfe. Kugelig schwarze Früchte, weswegen die Pflanze auch »Barhyaghtar belladonna« genannt wird. Durch die Cuticula geben die Trichome ein öliges Sekret ab. Da die Pflanze zum letzten Mal im 19. Jahrhundert nachweisbar ist, sind ihre Wirkstoffe nicht mehr bekannt. Vermutet werden: Apoatropin und Cordialotin.
    Laut las Samantha weiter. »Obwohl Barhyaghtar belladonna als hochgiftig galt, wurde das Elixier ihres Saftes in vieltausendfacher Verdünnung zur Blutreinigung und Herzstärkung verwendet. Der Sage nach soll der Extrakt der Kirsche außerdem Drachenkräfte verleihen, sowie Unverletzlichkeit für begrenzte Zeit.« Sam betrachtete eine Zeichnung, auf der die Pflanze abgebildet und beschrieben war. In der untersten Zeile fand sie einen Link: Die Jünger Fortrius.
    Gebannt und mit erhobenem Finger starrte sie auf den Bildschirm. Der rote Saft auf meiner Haut, dachte sie, die Mönche, die den Namen der Frucht gebetsmühlenartig wiederholten, meine außergewöhnlichen Kräfte – also war es doch nicht nur ein Traum! Samantha senkte den Finger und drückte auf Enter. Eine gewöhnliche Homepage sprang auf. Sie gehörte einem Verein, der sich mit Anschrift und Telefonnummer
präsentierte. Die Jünger Fortrius stellten sich als Bund von Naturliebhabern dar, die sich zur Ausübung »vergessener Naturbräuche« trafen. Sosehr Samantha auch nach weiteren Informationen suchte, das war alles. Kein Hinweis auf die Barhyaghtarkirsche, ihre Wirkung oder eine geheime Rezeptur. Sam fiel der Satz ihres Vaters ein: Die Bräuche der schottischen Urbevölkerung müssen brutal gewesen sein. Die Jünger Fortrius praktizieren diese Riten heute wieder. Sie essen die Herzen ihrer Feinde, sie trinken ihr Blut.
    In diesem Augenblick spürte Sam in ihrem Inneren einen Stoß; das vorgebeugte Sitzen schien dem Bewohner ihres Bauches nicht zu gefallen. Sie richtete sich auf, atmete durch, erschöpft lehnte sie sich zurück. Wohin soll das führen, dachte sie. Immer wenn ich glaube, ein Geheimnis gelüftet zu haben, taucht das nächste auf. Was hat eine ausgestorbene Kirsche mit diesem Verein in Nordengland zu tun? Du kriegst es nur heraus, wenn du danach fragst. Ohne lange zu überlegen, griff sie zum Telefon und wählte die Nummer von der Homepage. Der Vorwahl nach zu schließen, musste es ein Ort unweit von Lower Liargo sein. Es klingelte einmal, zweimal, nach dem sechsten Mal legte sie wieder auf.
    Samantha war im Begriff, an ihre Arbeit zurückzukehren, als das Telefon läutete. Bestimmt hätte sie Tante Margrets Apparat nicht abgenommen, wäre auf dem Display nicht die Nummer der Jünger Fortrius erschienen. Die rufen zurück, durchfuhr es sie. Die wissen, wo ich bin! Jetzt wissen sie, wo sie mich erreichen können! Am liebsten hätte sie das Büro so rasch wie möglich verlassen, aber Sam konnte nicht widerstehen.
    »Ja?« Sie hielt den Hörer ans Ohr. »Sie interessieren sich für unseren Verein?«, fragte eine freundliche Männerstimme.

    »Ich … Nein, ich bin eher zufällig auf Ihre Website gesurft«, antwortete sie so

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