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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Leopold, ist nur gerecht. Mein Mund hat geredet und den Kopf nicht konsultiert. Außerdem dachte ich schon im voraus, denn innerlich erschrak ich bei der Vorstellung, dass dieser Blick – ich will sagen – uns kompromittieren könnte.«
    »Wir werden sehen«, antwortete der Abt und klatschte zweimal in die Hände. »Bruder Gregor!« rief er ihm aufmunternd zu. »Er spielt die Rolle der Mutter!« Und zu Martin gewandt sagte er: »Und Er darf zwischen Vater oder Onkel wählen!«
    Christoph eilte in den Küchenvorraum, um einen der grauen Putzlappen zu holen. Die Arbeitsfläche, wo er vorhin die Forellen ausgeweidet hatte, bot ausreichend Platz, das Kind zu wickeln. Jeder konnte sich jetzt davon überzeugen, dass Martin wirklich einmal vier Wochen im Freiburger Findelhaus gearbeitet hatte. Sicher stützte er beim Ablegen den Kopf des Kindes mit der rechten Hand, dann machte er Gregor Platz, der mit klammen Händen das schmutzige Außenleinen abwickelte. Allen stand die Neugier ins Gesicht geschrieben, und die Köpfe gingen hin und her, um alles genau mitverfolgen zu können. Rechts neben Gregor stand der Abt, links Martin, die andern bildeten hinter ihnen einen Halbkreis. Philipp, der über alle hinwegsehen konnte, drückte sich hinter Martin, über dessen Kopf er bequem dem Schauspiel folgen konnte.
    14
    Gregor stellte sich nicht ungeschickt an. Die durch die Fenster strömende würzige Luft tat ihm wohl, sicher fassten seine Hände das Kind. In die neugierige Spannung dröhnte das dumpfe Gerumpel von einem zu Boden fallenden eichenen Holzscheit, der vom Holzhalter neben dem Kamin abgerutscht war. Niemand achtete darauf, denn viel zu interessant war, wie Gregor das Kind mehrmals kurz anhob, wonach die Stofflagen immer weniger wurden. Auf einmal fiel ein großes grünes Eichenblatt aus dem Leinen.
    Der Abt lachte kurz auf und sagte: »Alexander, wenigstens die heidnischen Götter sind dir gnädig. Gleich ein Blättchen für die Scham haben sie dir mitgeschickt. Selbst an unsre Breiten haben sie dabei gedacht. Dies nenn’ ich eine gelungene Metamorphose. Feigenblättchen – Eichenblättchen!«
    Gregor zögerte. Denn nur noch geschützt durch ein zwischen den Beinen und um den Bauch geschlungenes weißes Baumwolltuch war das Kind jetzt. Mit seinen Ärmchen wedelte es in der Luft und heftig strampelnd wühlten die Beinchen die grauen Wickellappen zu einem Knäuel zusammen. Das Greinen war einem zufriedenen Quengeln gewichen, wobei sich der Mund ein paar Mal unwillkürlich zu einem schiefen Lächeln verzog.
    »Nur zu«, sagte der Abt. »Wer allerdings jetzt Angst bekommt, kompromittiert zu werden, sollte die Augen schließen. Oder er reicht Gregor das Eichenblatt!«
    Beherzt löste Gregor die verknoteten Baumwollzipfel.
    »Nass wie nach einer Woche Regen«, murmelte Martin.
    »Ich denke, Christoph wird wissen, wo er Windeltaugliches findet«, sagte der Abt. »Schließlich sind wir Zisterzienser in der Welt des Praktischen Meister. Augen zu, Alexander!«
    »Jesus Maria, ein Mädchen!« rief Martin, als das verschmutzte dicke Flies schwer von Bauch und Schenkeln abfiel.
    Erschrocken griff Gregor nach dem Baumwolltuch, um die Blöße des Kindes zu bedecken. Doch als ob irgendjemandem die Scherze des Abts gefallen hätten – das Eichenblatt fand seine Bestimmung, weil es Gregors schwere Hand in der Hast mitgegriffen hatte.
    »Nun Julian, wie gefällt dir das?« fragte Leopold Münzer vergnügt. »Schreiben die Alten nicht irgendwo von Zeusmutter Rhea, dass sie, bevor Demeter den Speisezettel bereicherte, die ersten Menschen mit Eicheln fütterte? Man hat uns hier anscheinend eine zweite Ur-Eva schicken wollen. Vielleicht weil wir Zisterzienser bald auszusterben drohen?«
    »Vater Leopold, Ihr wisst alles!« rief Julian bewundernd aus. »Vom Apollodor haben wir dies. Den Griechen war die Eiche so heilig wie uns das Kruzifix, und im dodonischen Eichenhain zu Epirus stand des Donnerers Zeus Orakeleiche.«
    »Dann scheinen wohl ab heute wieder die heidnischen Zustände zurückzukehren. Gedonnert hat es ja weiß Gott genug. Gregor, du darfst dich ab jetzt mit Hermes vergleichen. Zeus’ Götterbote war zwar kein Steinmetz, aber sein Name leitet sich von Hermaion ab und, nicht wahr Julian, das heißt, wenn mich mein Griechisch nicht im Stich gelassen hat ‘Steinhaufen’.«
    »Vater Leopold«, erwiderte Julian ehrfürchtig, »Euch könnte selbst ein Polyhistorius kaum das Wasser reichen.«
    »Dies ist der einzige Vorteil des

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