Blutige Erde Thriller
von ihm entfernt. Menschen und Kühe schoben sich an ihm vorbei. Die Leute starrten ihn an, reagierten aber ansonsten nicht weiter auf seine Anwesenheit. Als ihn eine dicke, ältere Frau in einem traditionellen Kleid anlächelte, ergriff er die Gelegenheit.
»Tfmena?«
Sie blieb stehen und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. »Tfmena Llengambi?«
»Ja! Genau! Tfmena Llengambi.«
Er hatte allenfalls gehofft, dass sie ihm die Richtung zeigen würde, doch stattdessen bedeutete sie ihm, ihr zu folgen, und führte ihn noch tiefer in den chaotischen Irrgarten des Flüchtlingslagers. Nachdem er fünf Minuten schweigend hinter ihr hergegangen war, begann die Erleichterung, die er anfänglich verspürt hatte, zu schwinden. Er hatte jegliche Orientierung verloren, und es war jetzt vollkommen dunkel. Die Frau hätte ihn überall hinführen können.
Gerade wollte er umdrehen und das Risiko eingehen, auf eigene Faust nach draußen zu finden, als sie plötzlich stehen blieb und auf eine kleine Hütte deutete, deren Tür aus einem großen, ausgeblichenen Pepsi-Schild bestand.
Sie verbeugte sich kurz, bevor sie sich umdrehte und in die Richtung zurückwatschelte, aus der sie gekommen waren.
»Danke!«, schrie Josh ihr nach, doch sie reagierte nicht. Zögernd klopfte er an die Tür und wartete. Etwa auf Hüfthöhe erschien ein Auge hinter einem Spalt in der Tür, und Josh ging in die Hocke. »Hey, hallo. Ist Tfmena zu Hause?«
Das Auge wurde vor Angst ganz groß und verschwand. Er hörte die panischen Rufe eines jungen Mädchens, gefolgt von gedämpften Schritten auf festgetretener Erde.
Die Frau, die an die Tür kam, trug ein ähnliches Kleid wie diejenige, die ihn hergeführt hatte, doch sie war deutlich jünger und spindeldürr.
»Tfmena Llengambi?«
Sie lehnte sich aus der Tür hinaus, um zu sehen, ob sie beobachtet wurden, und zog ihn dann hinein.
Im Inneren der Hütte war es etwa zehn Grad wärmer als draußen. Eine einzelne Kerosinlampe spendete Licht, und es roch nach feuchter Erde. Er begann sich schon zu fragen, wohin zum Teufel er hier geraten war, als Tfmena durch eine Tür an der Rückseite des Zimmers eintrat.
»Warum sind Sie hier?«
Seine Miene drückte dieselbe würdevolle Gelassenheit aus wie immer, doch er konnte die Überraschung darüber, Josh in seiner Hütte anzutreffen, nicht verbergen.
»Sie und Ihre Familie müssen von hier verschwinden. Sofort.«
»Was? Ich verstehe nicht, was Sie mir da sagen.«
»Ich möchte, dass Sie sich das anhören«, sagte Josh. Er reichte Tfmena den MP3-Player und half ihm mit den Ohrhörern.
Die Aufnahme war nicht gut, und Annika hatte einige Mühe damit gehabt, die undeutlichen Stimmen zu übersetzen, doch nach viermaligem Anhören glaubte sie den Kern der Unterhaltung verstanden zu haben: Jetzt, da das Projekt zerstört war, gab es keinen Grund mehr, warum man Tfmena und seine Familie nicht ermorden und die Bezahlung für die Tat einstreichen konnte.
Tfmenas Gesichtsausdruck verriet, dass sie mit ihrer Übersetzung goldrichtig gelegen hatte. Schließlich drückte der Afrikaner auf Stop und gab Josh den Player zurück. Dann setzte er sich auf eine niedrige Bank, die das einzige Möbelstück im Zimmer war.
»Sie müssen uns für ein sehr seltsames Volk halten.«
Es war eigenartig, wie fehl am Platz dieser Mann hier wirkte, umgeben von Wänden, die mit Ausschnitten aus alten Zeitschriften geschmückt waren, und mit nichts als festgestampfter Erde unter den Füßen. Man musste sich einfach fragen, was aus jemandem wie ihm hätte werden können, wäre er unter anderen Umständen geboren worden.
»Es spielt wohl kaum eine Rolle, was ich denke.«
»Als Sie zu uns kamen, hätte ich dem zugestimmt. Doch inzwischen glaube ich, Sie sind ein Mann von …« Tfmena hielt inne, während er nach dem richtigen Wort suchte. »Gewicht.«
»Ich danke Ihnen. Wenn Sie das sagen, bedeutet es wirklich etwas. Aber sollten Sie nicht so langsam -«
Tfmena machte eine wegwerfende Geste. Es war unmöglich zu entscheiden, ob er etwas wusste, das Josh nicht bekannt war, oder ob es sich nur um diesen irritierenden afrikanischen Fatalismus handelte.
»Wir leben schon lange auf diese Weise. Und für eine lange Zeit war es auch gut so. Die Stämme, die großen Familien. Sie waren unser Schutz gegen Afrika. Denn dieser Ort will dich immerzu umbringen. Er versucht es mit Stürmen, Überschwemmungen und Krankheiten. Doch dann kamen die Weißen, und die Welt veränderte sich. Jetzt bringen
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