Blutige Fehde: Thriller (German Edition)
die beiden Mädchen da sind dafür genau die Richtigen.«
Orla schüttelte den Kopf. »Nein. So geht das nicht. Das wird er nicht zulassen. Den Fehler hat er schon einmal gemacht.«
»Aber hier liegt er doch auf der Lauer, oder?«
Orla stach ihm einen wulstigen Finger in die Brust. »Ab sofort liegen Sie hier auf der Lauer. Sie sollten lieber …«
Der Nomade wischte ihren Finger beiseite. »Hören Sie, ich habe meinen Teil erledigt und dafür eine Menge Prügel kassiert. Schauen Sie bloß mal, in was für einem Zustand ich bin. Ihr könnt mit den beiden da machen, was ihr wollt. Hauptsache, ich kriege mein Geld.«
Orla starrte ihn an, aber derweil ratterte hinter ihren Augen die Maschine, und bei jeder Option, die sie durchspielte, mussten einige Leute dran glauben und andere nicht. Schließlich nickte sie und sagte: »Na schön.« Sie drehte sich zum Wagen um. »Sind die zwei wohlauf ?«
»Das Kind schon. Die Frau ist verletzt.«
Orla trat an den Fond des Wagens heran. »Wie schlimm?«, fragte sie.
»Ziemlich schlimm. Sind noch irgendwelche Krankenschwestern da?«
»Nein. Die gehen abends nach Hause. Die nächste Schicht beginnt erst wieder in etwa einer Stunde. Im Augenblick sind nur Sie und ich und ein paar Jungs da, die Wache halten.«
»Zu dumm«, sagte er. »Jemand müsste sie sich mal anschauen. Ansonsten gebe ich ihr nicht mehr viel Zeit.«
»Spielt keine Rolle«, sagte Orla. Sie öffnete die Tür und hockte sich auf Augenhöhe des Kindes hin. Als sie die Hand nach ihm ausstreckte, wurde ihr hartes Gesicht weich. »Hallo, mein Schatz. Wie heißt du denn?«
Der Nomade setzte Marie vor Bulls Zimmer auf einem Stuhl ab. Orla trug das Kind in den Armen, flüsterte ihm etwas zu und wiegte es.
Marie streckte den Arm aus. Die Anstrengung trieb ihr den Schweiß auf die Stirn. »Bitte«, flehte sie, ihre Stimme dünn wie Papier.
Nach kurzem Zögern setzte Orla das Kind seiner Mutter auf den Schoß. Maries Atem ging rasselnd. Sie legte die Arme um ihre Tochter und starrte dabei den Nomaden an. In ihrem aschgrauen Gesicht funkelten dunkle Augen. Sie hustete.
Orla klopfte an die Tür zu Bulls Zimmer. Von drinnen kam ein Knurren.
»Da?«, rief sie.
»Warte«, rief die Stimme.
»Da? Was ist los?«
»Komm nicht …«
Sie drückte die Tür auf. Bull O’Kane lag schwitzend und keuchend zwischen dem Stuhl und seinem Bett auf dem Boden. Er starrte zu dem Nomaden hoch.
»Da, was ist denn passiert?«
Bulls Augen wanderten wieder zu Orla. »Komm rein und mach die verdammte Tür zu.«
Sie eilte hinein und schlug dem Nomaden die Tür vor dem Gesicht zu.
»Ach du Scheiße«, sagte er.
Bull hatte dagelegen wie eine weggeworfene Muschelschale, so schwach, dass er sich nicht einmal mehr auf den Beinen halten konnte. Von drinnen drang Ächzen und Stöhnen heraus. Wie es eben klang, wenn eine kräftige Frau einen alten Mann hochhob. Geradezu mitleiderregend, dachte der Nomade.
Er hörte, wie sich die Stimmen auf der anderen Seite der Tür einen Schlagabtausch lieferten, zuerst nur bestimmt, dann immer wütender. Mehrere Minuten vergingen, bevor die Tür wieder geöffnet wurde. Mit hochrotem Kopf und schmalen Lippen drückte sich Orla an ihm vorbei und bedeutete ihm mit einem kurzen Nicken hineinzugehen.
»Wenn du noch ein bisschen Verstand übrig hast«, knurrte ihn Bull O’Kane aus seinem Sessel an, »dann hältst du mich besser nicht für einen Schwächling.«
»Würde mir im Traum nicht einfallen«, antwortete der Nomade. Er bedachte Bull mit der ernsthaftesten Miene, zu der er fähig war.
Einen Augenblick lang musterte O’Kane ihn schwer atmend. Er wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. »Du siehst auch nicht gerade gut aus.«
»Ging mir schon mal besser«, räumte der Nomade ein. Unter dem Verband an seiner linken Hand juckte die Haut.
»Vielleicht bist du deshalb ja so sagenhaft dämlich.«
Der Nomade blinzelte ihn an. »In diesem Raum befinden sich keine dummen Menschen.«
»Komm mir bloß nicht oberschlau«, knurrte Bull und lehnte sich vor. Seine Hände auf den Sessellehnen zitterten. »Du hast Glück, dass ich dich nicht habe abknallen lassen. Hast du eine Idee, wie es jetzt weitergehen soll?«
»Ja, habe ich. Mit der Frau und der Kleinen können Sie machen, was Sie wollen. Ich kriege mein Geld und ziehe meiner Wege.«
»Nein.« Bull ließ sich wieder in den Sessel zurücksinken. »Und was passiert, wenn er den beiden nachkommt?«
»Gerry Fegan?«
Bull nickte langsam und ließ den
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