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Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)

Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)

Titel: Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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einer Klage, denn am Ende öffnete sie doch den Mund. »Ich war einfach noch zu unerfahren, um zu erkennen, was da läuft. Weiß der Himmel, wie ich das zehn Jahre lang ertragen habe. In dem Unternehmen ging es immer nur darum, einen vor den anderen zu erniedrigen – einen so hohen Verschleiß an Angestellten gibt’s bei keiner anderen Bank.«
    »Warum bleibt dann irgendjemand dort?«
    Sie bedachte mich mit einem Blick, als wäre ich von gestern. »Weil die Boni einfach unglaublich sind. Aber natürlich hat man auch völlig verrückte Arbeitszeiten, und falls irgendwer die Zielvorgaben nicht erreicht, wird er noch am selben Tag gefeuert.«
    »Und wie war es dort für Frauen?«
    Als sie sich auf die Lippe biss, verschmierte sie etwas von ihrem Lippenstift auf ihrem Schneidezahn. »Deshalb habe ich am Ende ausgepackt. Weil die Bosse die totalen Schweine waren. Zum Beispiel haben sie junge Frauen, die sich dort um einen Job beworben haben, grundsätzlich bei einem intimen Abendessen interviewt. Wenn man eine Frau genommen hat und sie weiterkommen wollte, musste sie jede Waffe einsetzen, die ihr zur Verfügung stand.«
    Harris’ Miene machte deutlich, dass sie nicht bereit war, zu erzählen, wie sie selber bei der Angel Bank behandelt worden war, und ich verspürte einen Hauch von Mitgefühl mit ihr. Sicher waren die harten Zeiten, die sie dort erlebt hatte, der Grund für ihre strengen Kleider und die meterdicke Schicht Make-up, hinter der sie ihr Gesicht verbarg.
    »Haben Sie jemals etwas über Insidergeschäfte oder Geldwäsche gehört?«
    Harris’ rot schimmernde Lippen versiegelten sich von selbst. Bestimmt hatte sie Angst vor einer neuerlichen Klage, falls sie mir noch mehr erzählte, denn sie gab mir deutlich zu verstehen, dass das Gespräch für sie beendet war. Sie bot mir an, mich bis zum Ausgang zu begleiten, blieb dann aber plötzlich neben einer Glaswand stehen. Durch die Scheibe konnte man auf einen Saal hinuntersehen, der mit Dutzenden von Männern, doch nur einer Handvoll Frauen bevölkert war.
    »Das ist unser Börsenparkett«, erklärte sie. »In zwanzig Minuten schließen die FTSE , und ein paar der Typen stecken bis über die Ohren in der Scheiße, wenn ihnen nicht noch im letzten Augenblick ein großer Deal gelingt.«
    Es kam mir vor wie eine Oper ohne Ton. Die Mienen der Händler sahen ohne Abstufung entweder tragisch oder komisch aus. Die meisten hatten Handys an die Ohren gepresst und gestikulierten wild herum. Gleichzeitig liefen sie hektisch hin und her und lasen wechselnde rote und grüne Zahlen von einer elektronischen Tafel ab. Der Hauch von Testosteron und Schweiß jedoch, den ich zu riechen meinte, entsprang wahrscheinlich meiner Phantasie. Denn die Scheibe war fünf Zentimeter dick.
    »Was geht da vor sich?«, fragte ich.
    »Wenn sie bis zum Ende des Börsentags nicht genug Aktien verkauft haben, geht ein Teil von ihrem Bonus flöten. Und wenn sich das wiederholt, verlieren sie ihren Job.« Harris verfolgte das Geschehen so gebannt, als sähe sie Gladiatoren bei einem Schwertkampf zu. Schließlich aber riss sie ihren Blick von den Kollegen los und sah mich reglos an. »Die Angel Bank ist noch viel schlimmer. Dort kommt es auf dem Börsenparkett zu regelrechten Schlägereien.«
    Abrupt wandte sich Harris ab, als hätte sie für diesen Tag genügend menschliche Verzweiflung miterlebt. Ich bedankte mich für das Gespräch, sagte auf Wiedersehen und ging.
    Auf dem Weg nach Hause spielte mein Verstand mir offenkundig irgendwelche Streiche. Der Pfad entlang der Themse war fast menschenleer, denn bei der anhaltenden Hitze gingen nur die wenigsten freiwillig aus dem Haus. Allerdings war ich aus irgendeinem Grund der festen Überzeugung, dass mir jemand folgte. Ein Stück hinter mir hörte ich schnelle Schritte, aber als ich über meine Schulter blickte, war dort niemand außer einer Frau, die mit ihrer Kamera am Ufer stand.
    Ich atmete erleichtert auf, als ich in meine Wohnung kam. Doch als ich mich zum Schlafen fertigmachte, hörte ich urplötzlich wieder Schritte, diesmal aus dem Treppenhaus.
    Der Spion in meiner Wohnungstür war nutzlos, denn das Flurlicht brannte nicht. Nach allem, was ich wusste, konnte dort ein irrer Engelliebhaber im Dunkeln stehen, der nur darauf wartete, dass ich den Fehler machte, meine Tür zu öffnen, um zu gucken, ob dort draußen jemand war.
    Ich zwang mich, tief durchzuatmen. Dabei dachte ich kurz daran, Andrew anzurufen, doch ich wollte nicht wie eine

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