BLUTIGER FANG (German Edition)
das Gefühl, sie wiege nur noch ein paar Kilo.
Auf ein Mal sah sie, dass es auch so war.
Sie riss ihre Augen ein letztes Mal auf und sah den eigenen Körper dort drüben liegen.
Um Gottes Willen, wie war das möglich?
Panik erfasste sie erneut. Wie konnte sie hier sein und ihr Körper dort? Wo war der Kopf? Wo war sie ? Warum konnte sie denken, wo ihr Kopf doch nicht mehr auf dem Körper war?
Sie dachte an Enthauptete … Französische Revolution … direkt nach – Enthauptung – weil alles so schnell … so schnell … noch etwas … dächten … fühlten – manchmal sogar … die Lip- … beweg- …
Schmerz!
Dunkelheit.
Nichts.
Der Pascha wandte sich ihrem Körper zu. Doch fraß er sie nicht, sondern leckte nur das Blut auf, das an so vielen Stellen herauslief aus diesem Fleischklumpen, der vor wenigen Minuten noch ein hinreißend schöner Mädchenkörper gewesen war.
34
Joel war vergeblich mit der Tür zum Büro des technischen Pförtners beschäftigt. Es dauerte eine Weile, bis ihm schwante, dass Bronco die Chipkarte, die nötig war, um die Tür zu öffnen, unbrauchbar gemacht haben musste.
Er probierte immer wieder andere Schlüssel aus und zog dann die Karte durch, nachdem er sicher war, den richtigen eingesetzt zu haben. Doch das Display zeigte eine Fehlermeldung nach der anderen an.
Es musste jetzt schnell gehen. Deswegen hetzte er los, wollte nach oben, um vom Büro der Sekretärin aus bei der Polizei anzurufen, und hoffte, dass in der abgelaufenen Zeit – es waren vielleicht sechs oder sieben Minuten vergangen, seit er aus dem Restaurant gestürzt und hierher gekommen war – noch nichts Schlimmes passiert war.
Joel kam an der Rolltreppe an, bemerkte, dass er unbewusst sein Tempo verlangsamt hatte, und spürte die Angst in sich anwachsen.
Vorsichtig schlich er nach oben.
Ihm war klar, wenn Bronco nur dicht genug an ihn herankäme, wäre es mit Sicherheit nicht gut um ihn bestellt. Deshalb ließ er äußerste Achtung walten, als er oben ankam und auf der letzten Stufe ausharrte.
Joel sichtete in alle Richtungen.
Weder von den Löwen noch von Linda oder Bronco eine Spur oder ein Laut. Der fahle Lichtschein, der aus dem Restaurant fiel, formte einen dämmrigen Kegel in der Dunkelheit und breitete sich auf dem Boden aus wie ein Teppich, den Joel soeben betrat. Gespannt hielt er die Armbrust vor sich, die er im Notfall nur abzuziehen brauchte.
Joel blickte hinüber zum Chefbüro, in dessen Vorzimmer er das Telefon der Sekretärin benutzen wollte. Er blickte nochmals um sich und hetzte los in Richtung der Holzschränke, an denen entlang er zu den Büros hinüberwollte.
Kaum war er auf halber Strecke, rief plötzlich eine bekannte Stimme, die künstlich abgedämpft klang: „Lass die Armbrust fallen, Kramer!“
Joel erschrak über den aus dieser bedrohlichen Stille hervorbrechenden Stimmklang dermaßen, dass er die Armbrust einfach abzog.
Der Pfeil flitzte los und schlug seine Spitze mit einem hell klingenden Klack in das Holz einer der Schränke.
Joel spähte durch die Dunkelheit um festzustellen, ob er getroffen hatte.
Er hörte plötzlich ein leises Quietschen wie vom nicht geölten Scharnier einer Holztür.
Und tatsächlich: Bronco trat aus einem der Schränke heraus.
Sein Schatten löste sich mehr und mehr aus der Nacht, und Bronco kam mit vorgehaltener Pistole auf ihn zu.
Schnell wurde Joel klar, dass es jene Pistole war, die er vorhin Linda mitgegeben hatte.
Bronco kam näher.
Joel schickte sich an, einen Pfeil aus dem Gürtel zu ziehen und nachzuladen.
„Fallen lassen!“ Die Stimme Broncos dröhnte klar und deutlich.
Joel gehorchte und ließ die Armbrust fallen, die mit einem dumpfen Klang auf dem Teppichboden aufschlug.
Plötzlich spürte er die Knarre, die er selber im Lederriemen stecken hatte. Ohne lange zu überlegen, griff er nach hinten und wollte sie herausziehen.
„Na-na-na, das lassen wir schön bleiben, Kramer.“
Bronco war jetzt bei ihm und richtete die Waffe gegen Joels Kopf. „Leg die Kanone ganz langsam auf den Boden.“
Joel zog sie aus dem Riemen. Er spürte seine Finger zittern. Für einen Moment, als die Hand noch hinter dem Rücken war, legte er den Zeigefinger um den Abzug und fühlte die Verlockung, sie zu entsichern. Doch der aufkeimende Mut wurde überspült von so vielen Skrupeln, dass er die Entsicherung sein ließ und die Pistole auf den Boden legte. Einen Menschen erschießen? Selbst Bronco? Diese Fragen
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