Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BLUTIGER FANG (German Edition)

BLUTIGER FANG (German Edition)

Titel: BLUTIGER FANG (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Pflock
Vom Netzwerk:
noch krank. Die Energetik der Bewegungen stimmte nicht. Sie rührte sich kaum und wenn, dann nur sehr gemächlich und in einer Art, als hätte sie Angst, sich gleich entleeren zu müssen. Ihre Augen, normalerweise um diese Zeit hellwach und putzmunter, blickten wie in den vergangenen Tagen müde und matt drein.
    Joel hatte alle Mühe, Hänsel abzuwehren, der mit seinem großen Zeh spielte.
    Der Kater sprang plötzlich vom Bett.
    Joel sah zu Gretel hinunter. „Bevor wir zum Tierarzt gehen, muss ich wegen euch mit Vater reden.“ Abrupt hörte er auf, die Katze zu streicheln.
    Gretel hatte eine Magen-Darm-Erkrankung, der Durchfall war also noch nicht ausgestanden. Joel bekäme wieder Ärger, wenn er das Problem nicht löste. Seit dem Theater vom vergangenen Mittwoch hatte er die Gefahr dadurch in Schach gehalten, dass er die Katze nicht mehr aus seinem Zimmer ließ, sodass sie sich wenigstens nur dort entleerte und nicht mehr im Flur.
    Joel schlug die Decke zurück und stand auf.
    Hänsel drängte zur Tür.
    Joel wollte sich ankleiden, beugte sich dabei aber ab und an zu Gretel hinab, die noch immer an ihrem Platz lag. Das drollige Tierchen blickte zu ihm auf und Joel konnte es nicht lassen, es zu kraulen.
    Jetzt kam auch Hänsel von der Tür zurück und mischte sich eifersüchtig dazwischen. Der junge Kater krallte nach einem der Socken, mit dem Joel ihn veräppelte. Plötzlich hatte er den Socken im Fang und rannte damit unters Bett.
    „Hänsel, gib ihn mir zurück.“    
    Joel kniete nieder und griff nach dem Kater, der den Strumpf fallen ließ und unter dem Bett hervorrannte. Er hatte alle Mühe, den Strumpf zu greifen und streckte seinen Arm weit aus.
    Dann stand er auf, zog sich die Strümpfe, eine Jeans und ein T-Shirt an und sagte, nachdem er Luft durch seine Nase eingezogen hatte: „Puh, hier drin muss aber mal gelüftet werden.“   
    Joel zog den Vorhang auf und öffnete das Fenster.
    Draußen war es hell, warm und sonnig.
    Er sah in den Garten, der direkt vor seinem Zimmer lag.
    Als er sich umdrehte, sah er Hänsel an der Tür. Der gab es einfach nicht auf. Diesmal gesellte sich ihm auch Gretel zu.
    Die Tiere durften morgens als Erstes hinaus, wo sie über den Flur ins Freie rannten, weil Joel sie während des Sommers draußen fütterte, wenn es nicht regnete. Dieses Prozedere waren sie gewohnt. Seit vergangenem Mittwoch war damit jedoch Schluss wegen des Ärgers mit Vater.
    Hinzu kam, dass heute – wie jeden Samstag – Thunfischtag war. Das hieß, Familie Kramer aß auf Geheiß des Vaters einen Thunfischsalat, den die Mutter morgens schon anmachte und in der Küche stehen ließ. Für die Katzen bedeutete dies, dass sie samstags das Zimmer nicht verlassen durften, bis die Familie gegessen hatte.
    Joel setzte seine Brille auf und blickte zu den Katzen, die sich noch immer an der Tür drängelten. Er beugte sich hinab und streichelte beide abwechselnd.
    Dann sah er auf die Uhr.
    Zwanzig nach elf.
    Bis Mutter zurückkam, dauerte es noch eine gute halbe Stunde. Nach dem Essen könnte er ja probieren, ob er die Tiere heute nicht doch hinauslassen könnte, zumal Gretel die Nacht über offenbar keine Probleme mit dem Durchfall gehabt hatte.
    Um die Katzen abzulenken, nahm er einen der ungewaschenen Strümpfe, die auf einer Kommode neben der Tür lagen und spielte damit vor ihren Nasen herum. Hänsel fasste mit einer Pfote danach, Gretel beobachtete nur. Joel warf den Strumpf in die Mitte des Zimmers. Die Katzen rannten von der Tür weg und er beeilte sich, hinauszukommen.
    Leise schlich Joel über den Flur zur Küche, deren Tür ebenfalls zu war.
    Ganz vorsichtig schob er sie einen Spalt weit auf.
    Vater saß im Unterhemd mit Jogginghose bekleidet und einer Dose Bier vor sich am Küchentisch.
    Joels Entschlossenheit, mit ihm zu sprechen, wurde schon vom bloßen Anblick des Alten weich. Er verspürte die Neigung, den Rückwärtsgang einzulegen, doch dann gab er sich einen Ruck und trat ein.
    „Was ist los?“ Vater blickte nicht einmal auf. Seine Stimme brummte dunkel nach.
    Joel zuckte zusammen. Er überlegte, was er tun sollte. Dann trat er an den Küchentisch. „Vater! Ich … ich wollte mir dir sprechen.“   
    Sein Vater sah ihn an. Er saß mit dem Rücken zum offen stehenden Küchenfenster, sodass die Helle des Tageslichts hinter ihm in einem krassen Gegensatz stand zum dunklen Schmutz seines unrasierten Gesichts. Trotz der Frischluftzufuhr roch es hier drin nach Bier und kaltem Rauch. Der

Weitere Kostenlose Bücher