BLUTIGER FANG (German Edition)
Ecke hatte die neue gemein, dass auch sie völlig im Dunkeln lag, denn das Licht, das durch die Glasfront drang, fiel vorbei und ließ sie zum toten Winkel werden. Instinktiv realisierten die Löwen, dass von allen Plätzen im Restaurant dieser jetzt der beste, weil dunkelste, war. Wenn es einen Platz gab, wo sie unsichtbar werden konnten, dann hier.
Der Pascha folgte den Löwinnen zunächst, ließ dann aber ab und drehte sein Haupt in Richtung des Eingangs. Er schlich hinüber, versteckte sich hinter der Wand, schob den Kopf etwas vor und sah hinaus.
Die Gestalt war verschwunden! Eben hatte sie doch noch da gestanden, und jetzt war sie weg. Der Löwe richtete seine ganze Aufmerksamkeit hinaus in die Dunkelheit.
Plötzlich hörte er Atemgeräusche in der Ferne und ein leises Gemurmel, das bald vom Klang eines zügigen Gangs flankiert wurde und allmählich näher kam.
Der Pascha duckte sich. Den Kopf fast am Boden, spannte er die Sprunggelenke an.
Jetzt sah er die Gestalt, die unweigerlich auf den Eingang zukam.
Dem Löwen wurde klar, dass sie die Richtung nicht mehr ändern würde. Er spürte die innere Unruhe der Weibchen, die dicht gedrängt und vollkommen still in ihrer Ecke verharrten. Auch spürte er die zunehmende Anspannung seiner Sprunggelenke.
Unaufhörlich kam die Gestalt näher …
„ Was glotzt du denn so, Kramer? “ , sagte Bronco, der gerade einen intensiven Kuss mit Linda ausgetauscht hatte.
Joel hatte die Dunkelheit ausgenutzt, um den beiden zuzusehen. Wie gerne wäre eres gewesen, der Linda so geküsst hätte. Jetzt tat er so, als hätte er nichts gesehen.
„Willst du dir nicht etwas die Beine vertreten?“, sagte Linda mit einer rauchig-lasziven Stimme.
Joel stand auf und verließ den Regalgang.
Wo blieb Frank eigentlich? Die Uhr schlug schon Viertel nach zehn.
Joel schaute in die Dunkelheit und dachte nach. Was waren das doch für Spinner, mit denen er hierher gekommen war. Erst den großen Bruch machen wollen und dann nichts als Essen, Trinken und Vergnügen im Kopf haben. Er merkte einmal mehr, dass die Bewunderung, die er insgeheim für Bronco und Frank hegte, sowie der Drang, den er gegenüber Linda verspürte, nur auf deren Aussehen und dem sozialen Rang innerhalb ihrer Szene beruhte, wobei das eine das andere zu bedingen schien. Sie waren angesagt, weil sie gut aussahen. Doch das war es auch schon. Denn, was taten sie? Wie verhielten sie sich – gerade jetzt? Wie Kinder: affektiv, kurzsichtig, ungeduldig! Sie dachten und lebten nur im Moment und für den Moment.
Joel stand an ein Regal gelehnt und schaute zufällig hinüber zu den Liften auf der anderen Seite des Hauptdurchgangs.
Plötzlich schreckte er auf. Denn in der Ferne blinkten die Leuchtanzeigen der Fahrstühle. Ein paar Mal blinzelte er und spähte mit größter Anstrengung, weil er zunächst glaubte, sich versehen zu haben. Aber nein, kein Zweifel: Jemand war offenbar in der Tiefgarage und hatte den Lift in Bewegung gesetzt!
Er eilte zu Bronco und Linda zurück, die bereits in ein ziemlich unhygienisches Techtelmechtel verstrickt waren. „Da kommt jemand!“
Linda ließ von Bronco ab. Sie hatte vor ihm gekniet, schoss wie ein Pfeil nach oben und fuhr sich über den Mund.
Bronco beeilte sich, seinen Reißverschluss zuzumachen.
„Was ist denn?“, sagte Linda. Sie keuchte, als hätte sie eine Weile keine Luft mehr geholt.
„Was? Wer? Wo?“ Bronco zerrte immer noch an seinem Reißverschluss, der offenbar klemmte.
Joel deutete in Richtung der Fahrstühle und jetzt sah auch Bronco die Blinkzeichen.
„Wer kann das sein?“, sagte Linda, die sich die Hand vor den Mund hielt.
„Ich wusste, irgendwas wird schief gehen. Hab ich’s doch gewusst! Jetzt kann ich wieder in den Knast … verdammte Kacke auch!“, rief Bronco und schlug mit der Faust gegen eine Regalwand, die dumpf dröhnte.
„Was machen wir jetzt? Ich meine, wer ist das?“, sagte Linda schnell und abgehackt.
„Es ist mir scheißegal, wer das ist. Ich will jedenfalls nicht erwischt werden. Mich bringt keiner mehr in den Knast, das sag ich euch.“
Die Leuchten standen mittlerweile auf EG .
Joel hielt den Atem an. Gleich würde sich herausstellen, wer in das Kaufhaus gekommen war. Doch zu seiner Überraschung kam der Lift nicht hier zum Stehen, sondern fuhr weiter nach oben. Joel sah auf die Uhr. „Die Wachen können es nicht sein – es sei denn, sie kommen früher zum Dienst.“
Bronco und Linda sahen
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