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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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und so viele Freunde waren seitdem gefallen.
    »Ich habe mich gut geschlagen, oder?«, triumphierte der Maester, wobei er einige Paraden übte.
    »Zwerg gehen Schlucht, suchen Axt von Rator«, grollte ihn der Oger an.
    Im Nu war die Jubelstimmung verflogen. Trumbadin schluckte den Kloß in seinem Hals herunter. Als ob ihn sein Schwert Lügen strafte, sah er die Klinge an.
    »Zwei der Wölfe sind geflohen«, jammerte er, »und die Fackel brennt auch nicht mehr lange. Vielleicht sollten wir uns erst einmal ausruhen.«
    »Wölfe noch Angst, Zwerg noch stolz«, erklärte Rator. »Wenn warten, Zwerg Angst und Wölfe hungrig. Trumbadin gehen gleich.«
    Etwas schadenfroh sah Rator dem kleinen Hüttenbauer hinterher, wie der mit hängendem Kopf und glimmender Fackel zwischen den Steinen verschwand. Aber er war sich sicher, dass er unverletzt zurückkehren würde.

26
Immer das Gleiche

    Ein weiteres Mal sollte Kapitän Londor Recht behalten. Während Mogda den alten Seebären beobachtete, der nun seit zwei Tagen selbst hinter dem Steuerrad der Sturmwind stand, fragte er sich, woran es wohl lag, dass er den Kapitän nicht mochte. Entweder war es wegen der Titulierung »Herr Oger«, die dieser zuerst aufgebracht hatte und die jetzt an Deck des Schiffes in aller Munde war, oder weil seine düsteren Prophezeiungen von Stürmen, Eisregen und schwimmenden Bergen immer eintrafen. Mogda war einer der wenigen, die sich noch auf Deck wagten. Die meisten der Seeleute sowie der Oger hockten in den Kajüten und Laderäumen - Wenden und Halsen mussten derzeit keine gefahren werden, da der Wind stetig von hinten kam - und warteten darauf, den erlösenden Ruf von Ingert zu hören - Land in Sicht.
    Die von Sonne und Salzwasser mürbe gewordenen Planken glichen einer eisigen Spiegelfläche. Auf der Reling hatte sich eine Eisschicht von fast einem halben Fuß Dicke aufgeschichtet, und mit jeder Welle, die gegen die Bordwand schwappte, legte sich ein neuer dünner Film darauf. Die Seile, Gurte, Bänder und Taue waren steif gefroren. Die Mannschaft hatte versucht, sie mit Fischfett zu tränken, um sie geschmeidig zu halten. Das Salzwasser hatte dennoch die Oberhand gewonnen und ließ sie nun wie schwere Äste zwischen den Wanten baumeln.
    Das Schlimmste jedoch war der Sprühregen, der vor gut einem Tag eingesetzt hatte. Jeder Tropfen setzte sich am Mast, den Segeln und der Takelage fest, verband sich mit anderen Tropfen und gefror zu langen spitzen Eiszapfen, die von Stunde zu Stunde weiter anwuchsen und irgendwann herabstürzten. Krachend bohrten sie sich mit den Spitzen in die Decksplanken und zersprangen zu tausend funkelnden Splittern. Ein Mann, der von diesen mehrere Pfund schweren Geschossen getroffen wurde, würde auf der Stelle davon erschlagen werden. Niemand der Mannschaft hatte auf dieses Glücksspiel Lust, und somit hielt Kapitän Londor momentan allein die Stellung. Er hatte die »Herren Oger« Mogda und Korf darum gebeten, die eisigen Zapfen mit Fischhaken herunterzuschlagen, bevor sie sich von alleine lösten. Mogda hatte eingewilligt, weil bereits die befremdliche Anrede in ihm die unbändige Lust weckte, einen Fischhaken in die Hand zu nehmen. Korf hatte zugestimmt, weil er eben Korf war und niemals Nein sagte, wenn es darum ging, auf etwas einzudreschen.
    Krachend schlug ein Eisbrocken neben Mogda auf die Planken und zersplitterte. Um seine Füße herum rutschten und drehten sich die kleinen Kristallsplitter wie ein Funkenregen, bis sie endlich zur Ruhe kamen und aussahen wie das Abbild des Sternenhimmels. Mogdas Blick wanderte über das Deck bis hin nach achtern, wo Kapitän Londor stand und ratlos mit den Achseln zuckte, als er Mogda sah.
    »Ihr müsst versuchen, höher hinaufzukommen«, rief er. »Sonst wird das Gewicht irgendwann den Mast brechen lassen, wie einen Baum unter der Last von Schnee.«
    Er hat nicht »Herr Oger« gesagt, dachte Mogda. Vielleicht sollte ich es heute wagen, ein paar Worte mit ihm zu wechseln, bevor mich wieder dieses Gefühl überkommt, ihn erwürgen zu wollen.
    Er trat mit dem Fuß nach den Eissplittern. Schlitternd verteilten sie sich weiter über das Deck. Mogda wankte vorsichtig hinter ihnen her Richtung Achterdeck, immer mit einer Hand nach etwas Greifbarem tastend, das ihm Halt bot.
    Wenn ich jetzt stürze, überlegte Mogda, wird Londor rufen, »Seid vorsichtig, Herr Oger, wenn ihr von Bord fallt, seid ihr verloren.« Wenn dies geschieht, wird er keine Zeit mehr haben, meinen Tod zu

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