Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
erlauben, die Beine durchzustrecken, hätte der Troll den Oger sogar noch um einen Fuß überragt.
»Wir gehen hinunter und fordern unser Wegegeld.« Dabei zeigte er auf die Gruppe Barbaren, die immer noch um das Feuer kreiste und den Tod ihres Kameraden nicht bemerkt hatte. »Die untergehende Sonne wird sie blenden, wenn wir ihnen entgegentreten.«
Einen schlechteren Plan hatte Mogda selten gehört. Nokrat setzte sein Leben und das seines Trupps aufs Spiel, nur um ein paar Münzen einzufordern, welche die Fremden ohnehin nicht besaßen. Selbst wenn es darum ging, die getöteten Orks zu rächen, gab es sicherlich bessere Wege.
»Sie werden euch töten, und wofür? Für nichts«, wandte Mogda ein.
»Vielleicht töten sie uns, aber sie werden nicht sehen, wie ein Oger an ihnen vorbei Richtung Süden geht.«
Mogda stockte der Atem. Das war noch dümmer. Sie brachten sich in Gefahr, weil sie glaubten, die Götter hielten für einen Oger eine Aufgabe bereit. Mogda wollte nicht, dass andere für ein Ziel kämpften, an das er selbst nicht glaubte. Alles, was Oger seit Anbeginn der Zeit getan hatten, war, Katapulte nachzufüllen. Oger sorgten dafür, dass andere ihre Aufgaben erfüllten, nicht andersherum.
Leider blieb Mogda keine Zeit, Nokrat von seinem Vorhaben abzubringen. Der Troll hatte bereits seine Orks um sich versammelt und kletterte die letzte Anhöhe hinab. Er hätte Nokrats Plan vereiteln können, indem er aufgestanden wäre, mit den Armen gewinkt und gehofft hätte, von den Barbaren entdeckt zu werden. Aber Mogda sah von diesem Plan ab, weil er überzeugt war, dass Nokrat ohnehin kämpfen würde. Außerdem war es unsinnig, gegen ein Schicksal ankämpfen zu wollen, dass es gar nicht gab. Wenn Nokrat sein Leben für ihn riskieren wollte, konnte er nur eines tun - sich beeilen.
Mogda rückte Usils Leichnam auf seiner Schulter zurecht und machte sich auf den Weg. Er hielt weder an, noch schaute er zu den Seiten. Er folgte einfach stur seinem Weg und hoffte, so schnell wie möglich aus der Sichtweite der Fremden zu kommen. Das Klirren der Waffen und das Gebrüll des Kampfes folgten ihm eine lange Zeit, doch irgendwann verstummten die Geräusche.
7
Die Kupfergrotte
In Osberg gab es eine Reihe von Herbergen. Wenn man jemanden auf der Straße nach einer nahe gelegenen Unterkunft fragte, wurden einem meist mehrere Möglichkeiten genannt. Die wenigsten scheuten davor zurück, ihre persönliche Empfehlung mit preiszugeben, egal, ob man sie nun hören wollte oder nicht. Die Kupfergrotte war eine Herberge, doch niemand in Osberg hätte sie einem Fremden als Übernachtungsmöglichkeit angeraten, mit Ausnahme vielleicht von Hagrim.
Die Kupfergrotte war sicherlich kein schlechtes Etablissement. Im Gegenteil, das wunderliche Talent des Gastwirtes, Meister Ostmir, das Lieblingsgetränk eines jeden Gastes zu erraten, sorgte für einen stets gefüllten Schankraum. Aber genau hierin lag das Problem. Das einst als Zuflucht für Reisende errichtete Gebäude verfehlte längst seinen eigentlichen Sinn. Nach und nach waren immer mehr Gäste gekommen, die nur Meister Ostmirs Fähigkeiten ergründen und auf die Probe stellen wollten.
Die abendlichen Kassen füllten sich mit den Einnahmen aus dem Ausschank. Schnell zeichnete sich ab, dass der Schankraum vergrößert und die Unterkünfte verkleinert werden mussten. Ein benachbarter Tischler bot seine Hilfe an. In Windeseile waren die Zimmer im Erdgeschoss und im ersten Stock umgebaut und bildeten nun offene Separees zum Schankraum. Einzig und allein die Schlafgelegenheiten unter dem Dach, die sonst den Schankmägden gedient hatten, blieben erhalten. Immer mehr Gäste kamen zum Trinken und immer weniger zum Übernachten. Die Herberge verwandelte sich in ein Gasthaus, und die wenigen Zimmer wurden vornehmlich von denen genutzt, die zu tief ins Glas geschaut hatten und nicht mehr den Weg nach Hause fanden.
Am heutigen Abend war nur eines der Zimmer belegt - und dieses noch nicht einmal offiziell. Cindiel wusste nicht, was schlimmer war, hier auf dreimal drei Schritt eingesperrt zu sein oder den allabendlichen Männergesängen aus dem Schankraum lauschen zu müssen.
Eine Woche war vergangen seit der Auseinandersetzung auf dem Marktplatz. Hagrim hatte Cindiel geraten, ein oder zwei Tage unterzutauchen, damit sich die Leute beruhigen konnten. Die Nachricht über die Zurschaustellung ihrer arkanen Fähigkeiten hatte große Kreise gezogen. Hinter jeder Ecke konnte man etwas von
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