Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
tatsächlich auf etwas Interessantes. Vor knapp zwanzig Jahren hatte Averbeck in der Mannschaft eines Tennisbundesligavereins gespielt. Er stand auf Platz zwei der mannschaftsinternen Rangliste. Aber nicht das war sensationell, sondern der Name, der auf der Reserveliste auftauchte: Volker Wegener. Averbeck und Wegener kannten sich schon seit zwanzig Jahren.
Dann wiederholte ich das Spiel mit dem Namen Volker Wegener. Gegen Mittag wusste ich, dass Wegener vor vierzehn Jahren in die Firma Meyerink eingestiegen war, vermutlich gefördert von seinem Freund Jochen, der ein Jahr zuvor die einzige Tochter des Familienpatriarchen geehelicht hatte. Wegener arbeitete zuerst in Münster, dann in der argentinischen Niederlassung der Meyerinks in Buenos Aires. Vor etwa fünf Jahren ließ er seinen Job als Abteilungsleiter sausen und machte sich mit einer Marketingagentur in Buenos Aires selbstständig.
Aber das musste nicht bedeuten, dass sich Averbeck und Wegener aus den Augen verloren hatten. Zumal sich Wegener vor drei Jahren die noble Wohnung am münsterschen Aasee zugelegt hatte. Und mir Clara Heusken am Telefon erzählt hatte, dass Wegener auf Empfehlung von Averbeck zur Dungeon-and-Dragon-Party im Club Marquis gekommen war.
Die beiden, davon war ich überzeugt, pflegten nach wie vor ihre Freundschaft. Vielleicht hatte ich Jochen Averbeck zu früh von meiner Liste der Verdächtigen gestrichen. War es möglich, dass er Wegener gebeten hatte, Renate zu ermorden und es wie das Werk eines Psychopathen aussehen zu lassen? Wofür sich Wegener nicht verstellen musste, wenn er tatsächlich die Frau in seiner Wohnung ermordet hatte.
Ich griff zum Telefon und berichtete Hauptkommissar Stürzenbecher von meinem Verdacht.
»Wie stellst du dir das vor, Wilsberg?«, knurrte Stürzenbecher. »Soll ich gegen den Chef eines großen münsterschen Unternehmens ermitteln, nur weil du ein dummes Gefühl im Bauch hast?«
»Warum nicht? Vergiss nicht, dass er aus dem Tod seiner Frau finanzielle Vorteile gezogen hätte.«
»Averbeck wurde niedergeschlagen. Dafür gibt's Zeugen.«
»Natürlich. Das gehörte zur Verabredung der beiden. Damit hat Wegener ihm ein Alibi verschafft.«
»Hör zu!«, sagte Stürzenbecher. »Wir suchen Wegener. Sobald wir ihn gefunden haben, quetschen wir ihn aus. Wenn er Averbeck belastet, nehme ich mir den Burschen zur Brust. Vorher nicht. Es sei denn, du lieferst mir einen vernünftigen Beweis.«
»Den ich möglichst auf legale Weise beschaffen soll?«
»Genau.«
»Ist das dein letztes Wort?«
»Du hast es erfasst, Wilsberg. Denkst du, ich will die letzten Jahre vor meiner Pensionierung als Streifenhörnchen verbringen?«
Ich legte auf und dachte nach. Ich musste mehr über Averbeck und Wegener erfahren, als das Internet hergab. Mit jemandem reden, der die beiden kannte. Aber wer kam dafür infrage? Der alte Meyerink, schoss es mir durch den Kopf. Averbeck war sein Schwiegersohn und Wegener hatte er eingestellt. Doch wie kam ich an ihn heran?
Ich benutzte mein Handy, damit meine münstersche Nummer auf keinem Telefondisplay auftauchte, und ließ mich von der Telefonzentrale der Meyerink-Verwaltung mit dem Vorzimmer des Firmengründers verbinden.
»Wilsberg«, stellte ich mich vor. »Ich bin Wirtschaftsjournalist und arbeite zurzeit an einer Porträtserie über große deutsche Unternehmer. Natürlich steht der Name von Alfons Meyerink ganz oben auf meiner Liste.«
»Tut mir leid«, sagte die Sekretärin. »Solange das Turnier der Sieger stattfindet, ist er für niemanden zu sprechen.«
»Das Turnier der Sieger?«
»Herr Meyerink ist ein renommierter Pferdezüchter.«
»Das kommt mir sehr gelegen«, sagte ich. »Bei den Porträts soll die persönliche Note im Vordergrund stehen.«
Die Sekretärin überlegte. »Ich werde die Marketingleiterin anrufen. Sie wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen.«
»Sagen Sie ihr ...«
»Das liegt ganz an Herrn Meyerink«, unterbrach sie mich. »Kann sein, dass man Sie heute zurückruft. Oder in den nächsten Tagen. Oder gar nicht.«
Eine Viertelstunde später meldete sich die Marketingleiterin bei mir. Sie hatte einen leichten Akzent, den ich nicht zuordnen konnte. Ich erzählte ihr das Gleiche wie der Sekretärin.
»Sie haben Glück«, sagte sie. »Herr Meyerink ist heute in einer großzügigen Stimmung. Er ist bereit, zwischen zwei Prüfungen mit Ihnen zu sprechen.«
»Ich könnte in einer Stunde in Münster sein«, sagte ich.
»Nun, dann erwarte ich Sie am
Weitere Kostenlose Bücher