Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
werden.«
»Na und?«
»Besser, Sie bleiben im Auto. Um im Notfall die Polizei anzurufen.«
Sie stieg aus. »Bleiben Sie doch im Auto.« Und schon war sie weg.
Genervt holte ich sie ein. »Sind Sie immer so unvernünftig?«
Sie lachte. »Müssen Männer immer den Helden spielen?«
Unser Heldentum wurde jedoch gar nicht verlangt. Die Türen und Fenster der Holzhäuser waren fest verrammelt, nichts deutete darauf hin, dass sich hier jemand versteckte. Fehlanzeige auch bei frischen Fahrzeugspuren. Dabei war kaum anzunehmen, dass sich jemand, der diesen gottverlassenen Winkel als Unterschlupf nutzte, auf den regionalen Busverkehr verließ.
Pia schlang fröstelnd die Arme um ihren Körper und schaute zu dem dunkler werdenden Himmel.
»Lassen Sie uns verschwinden!«, schlug ich vor. »Hier ist niemand.«
Als wir wieder im Auto saßen, sagte sie: »Aber die Zeichnung muss doch eine Bedeutung haben.«
»Es wäre möglich, dass der Mörder ein Witzbold ist, der die Polizei in die Irre schicken wollte«, wiederholte ich laut meinen Gedanken von eben.
Statt einer Antwort versank sie erneut in tiefes Grübeln, das bis kurz vor Roxel anhielt. Dann sagte sie plötzlich: »Der Bauer kommt mir irgendwie bekannt vor. Er hat so merkwürdig gerochen ...«
»Man könnte auch sagen: gestunken«, bemerkte ich.
Angestrengt starrte sie aus dem Fenster und machte den Eindruck, als müsse sie ein äußerst schwieriges Problem lösen.
»Ich habe das schon mal bei jemandem gerochen. An irgendjemanden erinnert mich das. Aber ich weiß nicht ...«
»Kindheitserinnerungen«, schlug ich vor. »Haben Sie mal Urlaub auf dem Bauernhof gemacht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es nicht.«
Danach war sie wieder mit ihren Gedanken beschäftigt. Ich zog es vor, mich auf den Autoverkehr zu konzentrieren, und versuchte gerade, einen Lkw zu überholen, als sie plötzlich »Ich hab's!« brüllte und ich vor Schreck beinahe das Lenkrad verriss.
»Müssen Sie so schreien? Ich hätte fast den Lkw gerammt.«
»Ich hab's. Ich hab's«, rief sie unbeeindruckt.
»Was haben Sie?«
»Ich weiß jetzt, wer so gestunken hat.«
»Der Gärtner von Renate Averbeck?«
»Nein, der Getränkelieferant!«
Höchst zufrieden ließ sie sich in den Sitz zurücksinken und schenkte mir ein triumphierendes Lächeln.
»Welcher Getränkelieferant?«
»Bevor wir die Leiche gefunden haben, hat mir so ein Typ die Haustür aufgemacht. In blauer Latzhose mit einem leeren Bierkasten in der Hand.«
Langsam begriff ich. »Und der hat nach Kuhmist gestunken?«
»Und wie. Ich musste mich an ihm vorbeiquetschen, als er mir die Tür aufhielt ...«
»Und jetzt glauben Sie, das war derselbe Mann, mit dem wir auf dem Bauernhof geredet haben?«
»Ich glaube es nicht, ich weiß es. Und das heißt, dass er mit ziemlicher Sicherheit etwas mit dem Mord an der jungen Verkäuferin zu tun hat. Fahren Sie zurück!«
»Der Typ ist doch jetzt gewarnt.«
»Vielleicht erwischen wir ihn noch.«
»Oder er erwischt uns. Bauern hängen sich gerne mal eine Schrotflinte über den Eingang.«
Sie verdrehte die Augen.
»Okay.« Ich trat auf die Bremse. »Wir fahren zurück.«
Nachdem ich gewendet hatte, sagte sie: »Vielleicht ist der Bauer oder Getränkemann ja ein Helfer von Wegener.«
»Sie meinen, er sollte die Leiche wegschaffen?«
»Ja. Und wir haben ihn gestört.«
»Möglich wäre es«, stimmte ich zu. »Auf einem Bauernhof gibt es gute Verstecke für eine Leiche.«
»Zum Beispiel?«
»Der Güllecontainer. Da schaut niemand hinein und nach einiger Zeit ...«
»Bitte!«, sagte sie entsetzt. »Hören Sie auf!«
Der Bauernhof lag still und friedlich im letzten Licht des Tages. Wir schellten am Wohnhaus. Nach einiger Zeit öffnete eine mittelalte Frau die Tür.
»Entschuldigen Sie«, sagte Pia, »wir haben uns hier vor einer Stunde mit einem Mann unterhalten. Ist er noch da?«
Sie überlegte nicht lange. »Das war Karl Lanfers. Er hilft mir bei der Arbeit, solange mein Mann im Krankenhaus ist.«
»Wo finden wir ihn?«
»Er wohnt in Natrup.« Sie beschrieb uns den Weg.
»Danke«, sagte Pia. »Und wie ist Ihr Name?«
Sie lächelte. »Niehues. Marie Niehues.«
Ihre Wegbeschreibung war erstaunlich präzise. Fünf Minuten später standen wir vor einem zweckmäßig gebauten Einfamilienhaus.
Als hätte er uns bereits erwartet, riss nach dem ersten Klingeln ein etwa dreißigjähriger Mann die Tür auf. »Ja?«
»Sind Sie Karl Lanfers?«, fragte ich.
»Ja. Und
Weitere Kostenlose Bücher