Blutnetz
seinem Gast - Leutnant Yourkewitsch, Kriegsschiffarchitekt des Zaren - den Arm um die Schultern und stürzte sich mit ihm in die Gästeschar, als wolle er Ted und Dorothy möglichst aus dem Weg gehen. Ted, der nichts von dem kurzen Blickwechsel bemerkt hatte, ergriff die Hand eines älteren Admirals und tönte: »Ein großer Tag für die Navy, Sir. Wirklich, ein großer Tag.«
Dorothys Blick wanderte wieder in Beils Richtung und fixierte ihn. Freundlich erwiderte er ihren Blick. Er hatte sie seit seinem Besuch in ihrem Haus in Washington nicht mehr gesehen, hatte sie jedoch auf Van Dorns Drängen hin per Telefon darüber informiert, dass er die starke Hoffnung hege, den Namen ihres Vaters schon bald von jeglichem Makel reinwaschen zu können. Sie hatte sich herzlich bei ihm bedankt und die Hoffnung geäußert, ihn bei dem Festbankett anlässlich des Stapellaufs wiederzusehen. Wenn er die Blicke, die sie ihm nun schickte, richtig deutete, wären weder Ted Whitmark noch Farley Kent über dieses Treffen besonders erfreut, vermutete Bell.
Ein warmer Atemhauch traf sein Ohr. »Für eine Lady in Trauerkleidung ist das aber ein recht gewagtes Lächeln.«
Marion Morgan kam hinter ihm hervor und steuerte direkt auf Captain Falconer zu. Er sah heldenhaft prächtig aus in seiner weißen Galauniform, dachte sie, oder prächtig heldenhaft, den Kopf über seinem Stehkragen stolz erhoben, die Brust mit funkelnden Orden gespickt, einen Zeremoniensäbel an der schmalen Hüfte.
»Guten Morgen, Miss Morgan«, begrüßte Lowell Falconer Marion Morgan herzlich. »Gefällt es Ihnen hier?«
Sie und Isaac hatten am Abend zuvor auf Falconers Jacht diniert. Als Bell ihm versprochen hatte, dass Arthur Langner von dem Verdacht, Schmiergeld angenommen zu haben, vollkommen befreit werden würde, hatte ihr offen zur Schau getragener Stolz auf ihren Verlobten keinen Zweifel daran gelassen, wem ihre innige Liebe galt. Trotzdem, so gestand sich Falconer reumütig ein, war er nicht gerade enttäuscht gewesen, als Bell sich entschuldigen musste, um eine weitere Kontrolle der Helling unter dem Schiffsrumpf zu beaufsichtigen. Nachdem sich der Detektiv entfernt hatte, bewegte sich ihre Unterhaltung vom Schlachtschiftbau über das Herstellen von Kinofilmen, Seekriegstaktik, die Gemälde von Henry Reuterdahl, die Washingtoner Politik bis hin zu Falconers Karriere. Rückblickend erkannte er, dass er ihr viel mehr über sich offenbart hatte, als es seine Absicht gewesen war.
Der Held von Santiago kannte sich selbst gut genug, um sich einzugestehen, dass er sich in sie verliebt hatte. Doch er bekam nicht das Geringste davon mit, dass ihn die schöne Miss Morgan als Tarnung benutzte, während sie einen elegant gekleideten Japaner verfolgte, der sich ständig mit einem Kopfnicken und einem Tippen gegen die Hutkrempe nach rechts und links grüßend durch die Versammlung schob.
»Warum«, wollte sie von Falconer wissen, um Zeit zu gewinnen, »heißt die Werft eigentlich New York Ship, wenn sie sich in Camden, New Jersey, befindet?«
»Das verwirrt jeden«, erklärte Falconer mit seinem liebenswürdigsten Lächeln und einem schalkhaften Augenzwinkern. »Ursprünglich wollte Mr Morse seine Werft auf Staten Island aufbauen, aber Camden bot bessere Eisenbahnverbindungen und die Nähe zu Philadelphia - mit seinem umfangreichen Reservoir an erfahrenen Werftarbeitern. Warum lächeln Sie so, Miss Morgan?«
Daraufhin sagte sie: »So, wie Sie mich gerade angesehen haben, kann ich von Glück sagen, dass Isaac in der Nähe und bewaffnet ist.«
»Nun, das sollte er auch sein«, entgegnete Falconer schroff. »Wie dem auch sei, in Camden, New Jersey, befindet sich jedenfalls die modernste Schiffswerft der Welt. Was den Bau von Dreadnoughts betrifft, so ist nur noch unsere wichtigste Einrichtung im Brooklyn Navy Yard größer und leistungsfähiger.«
»Und warum ist das so, Captain?« Ihre Beute kam allmählich näher.
»Sie arbeiten dort nach einem hochmodernen System. Größere Bauteile werden vorgefertigt. Brückenkräne transportieren sie über das gesamte Werftgelände, als seien es Zutaten beim Kuchenbacken. Diese Schuppen über den Hellingen sorgen dafür, dass sich schlechtes Wetter nicht auf die Bautätigkeit auswirken kann.«
»Sie erinnern mich an unsere verglasten Studios, die wir für Innenaufnahmen benutzen, wobei die Studios natürlich viel kleiner sind.«
»Aufbauten und Geräte, die gewöhnlich erst nach dem Stapellauf hinzugefügt werden, können
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