Blutportale
Flämmchen, die sich ihren Weg nach unten durch das Fleisch brannten.
Saskia konnte die Augen nicht abwenden. War ihr etwas Ähnliches widerfahren, als sie nach dem Kampf in Ohnmacht gefallen war?
Der vermeintlich Tote sprang schrill kreischend auf die Beine und rannte auf wackligen Beinen zu den Wassereimern, stürzte zwischen ihnen nieder und schüttete sich einen nach dem anderen über den Körper. Das Feuer auf seiner Haut erlosch tatsächlich, aber die Zeichen hatten sich eingebrannt, leuchteten hell und erweckten den Eindruck, eine Sonne wäre in ihm aufgegangen und würde durch die Schlitze scheinen.
Der Mann schrie voller Panik, versuchte, die Helligkeit mit den Fingern zu blockieren, doch es gelang ihm nicht. Dann sah er zu Justine, stemmte sich auf die Beine und kam mit ausgestreckten Armen flehend auf sie zu.
»Er hält dich für ein höheres Wesen, das ihm helfen kann«, meinte Saskia fasziniert. Justine starrte den Dunkelhäutigen an. »Soll ich ihn ausschalten?«
»Warte«, befahl Saskia.
Der Dunkelhäutige krümmte sich auf halber Strecke zusammen, Blut sickerte aus seinen Wunden. Zwei Blitze zuckten aus ihnen hervor und jagten direkt in Saskias Körper!
Es tat nicht weh, aber es setzte etwas in Gang.
»Merde!« Justine feuerte ihm eine Kugel ins rechte Auge, und er brach zusammen. Doch die Reaktion war bereits ausgelöst worden; in seiner Panik und Unwissenheit hatte der Mann seine Gabe gegen sie geworfen. Augenblicklich wurde ihr Mund mit Bittermandel und ihre Luftröhre mit Wachs geflutet, die Welt um sie herum versank in Grautönen. Ohne dass sie sich dagegen wehren konnte, schuf die Gabe in der Mitte des Raumes einen waagerechten Wirbel knapp über dem Boden, der düster leuchtete, als lauerte darin der Schlund einer Hölle. Den Durchmesser schätzte Saskia auf etwa einen Meter, aber er verbreiterte sich rasch. Das Ganze erinnerte an die Satellitenaufnahme eines Hurrikans. Energiefinger schössen unvermittelt aus dem Zentrum des Wirbels, zuckten gegen die Decke und sprengten große Brocken heraus, andere schlugen einen Bogen und fuhren in die Umstehenden. Wer getroffen wurde, fiel auf der Stelle nieder und zuckte unter Krämpfen. Wind brauste mit immenser Kraft durch die Halle, es pfiff und donnerte wie inmitten eines Unwetters.
Saskia versuchte, ihre Macht zu unterdrücken, doch sie hatte von dem Dunkelhäutigen zusätzliche Energie erhalten, die sich nicht zügeln ließ. Welche Hölle hatte sie dieses Mal geöffnet?
Ein Aufheulen, das nicht vom Sturm herrührte, riss Saskia aus ihrer Trance: Levantin zog sich mit letzter Kraft auf den Wirbel zu. Sie sprang ihm in den Weg und verpasste ihm einen harten Tritt unter das Kinn. »Ich lasse dich nicht entkommen!« Sie holte mit dem Hornschwert aus und wollte ihm den Kopf von den Schultern trennen - als ein Stromschlag durch sie jagte und alles um sie herum in gleißender Helligkeit verschwand wie bei einem extrem überbelichteten Film. Ihre Narben flammten auf; Saskia hatte das Gefühl, bei lebendigem Leib zu Asche verbrannt und aufgelöst zu werden.
Sie schwebte, wurde leicht und verlor jegliches Körpergefühl.
Die Helligkeit wurde immer stärker.
Der Geschmack von Blut lag schwer in ihrem Mund. Zwar glaubte sie, darunter bittere Mandeln wahrzunehmen, doch sie konnte nicht auf ihre Gabe zurückgreifen.
Sie war nichts weiter als Bestandteil des warmen Lichts, ein winziges Teilchen in der Gemeinschaft von vielen.
Sie konnte problemlos atmen.
Was war mit ihr geschehen?
Sah so der Tod aus?
Befand sie sich in dem Strom, der ins ewige Licht führte? Fuhr sie in eine Hölle? Das Licht um sie herum veränderte sich, verlor seine Strahlkraft und ging in ein dreckiges Grau über, die Wärme verlor sich, gleich darauf musste Saskia einatmen - und bekam nichts als brennendes Wasser in Mund und Nase.
Justine sah, wie Saskia ansetzte, um den finalen Hieb gegen Levantin zu führen. Doch genau in diesem Augenblick schnellte einer der Blitze aus dem Wirbel in das Hornschwert und hörte nicht mehr auf, durch die Waffe Energie in die Trägerin zu pumpen. Die Vorderseite ihres Körpers leuchtete, dann stand die Kleidung über der Brust in Flammen und verging zu weißen Flöckchen, die vom heftigen Wind weggerissen wurden. Justine erkannte auf der nackten Haut das Zeichen, mit dem Levantin sie geschlagen hatte.
»Saskia!«, schrie sie und lief los.
Ein zweiter Blitz fuhr in den Kopf ihrer Mitstreiterin und hielt sie fest. Der Wirbel kreiste immer
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