Blutportale
Pulverspuren, welche die Spurensicherung auf dem Tresor und am Fenster hinterlassen hatte, auch nach einer Woche nicht überall entfernen können; diese zwar feinen, ihn aber ungemein ärgerlich machenden schwarzen Pulverspuren, die er immer erst dann bemerkte, wenn er das Deckenlicht einschaltete oder die Sonne in einem bestimmten Winkel durchs Fenster schien. Da er die Putzfrau prinzipiell nicht in sein Arbeitszimmer ließ, waren sie geblieben und fielen ihm immer dann auf, wenn er keine Zeit hatte, sich darum zu kümmern.
Natürlich hatte man nur seine Abdrücke gefunden. Bei dem Einbruch waren Profis am Werk gewesen, die bei aller Erfahrung jedoch nicht frei von Pech waren: Die Kopien der zurückgebliebenen zwei Seiten sowie der obersten Fotografie lagen an einem sicheren Ort im Haus versteckt; er hatte das Bild von seinem Handy überspielt und ausgedruckt. Noch hatte ihm die Gelegenheit gefehlt, sich das alles genauer anzuschauen. Die Renovierung des India, die Regelung des Schadensfalls mit der Versicherung, der Einbruch ... zudem war die Schrift auf den Blättern sehr alt, für Will kaum mehr als mal geschwungene, mal krakelige Linien, in denen er hier und da einen Buchstaben zu erkennen glaubte. Die Originale hatten den Sir inzwischen erreicht; ob er und seine Leute mehr damit anfangen konnten? Will wusste es nicht - und war im Moment auch mit anderen Dingen beschäftigt. Und auch die sorgten nicht unbedingt dafür, dass sich seine Laune besserte.
»Wo sollen wir die Disco aufbauen?« Einer der DJs, die an diesem Abend für die adäquate Beschallung sorgen sollten, streckte den Kopf ins Arbeitszimmer.
Hatte er dem Kerl das nicht alles schon ausführlich erklärt? »Oben, auf der Galerie«, wies Will ihn gereizt an, ohne sich umzuwenden. »Haben Sie die Bollywood-CDs, um die ich Sie gebeten habe?«
»Sicher.«
»Sehr gut. Die müssen natürlich nicht den ganzen Abend laufen; Sie können zwischendurch wechseln.« Will drehte sich nun doch um. »Ach ja, die Tänzerin wird Ihnen ein Zeichen geben, wann Sie ihre eigene CD für den Auftritt auflegen sollen. Stimmen Sie sich dazu noch mit ihr ab?«
»Okay.« Der DJ betrachtete die Sammlung indischer Statuetten in dem großen Wandschrank. »Wow! Sieht aus wie in einem Tempel.«
»Nein, sieht es nicht.« Will scheuchte ihn mit einer Handbewegung zu seiner Arbeit zurück. Dann stand er auf, entzündete vor der kleinen Shiva-Statue zwei sehr teure Räucherstäbchen, um sich das Wohlwollen des Gottes zu sichern, und verließ den Raum ebenfalls. Die Nervosität und die Unruhe hatten ihn schon in der Nacht heimgesucht und würden erst weichen, wenn der Tag samt der Party vorbei war. Ihm war fast danach, die Veranstaltung abzusagen; doch das kam natürlich nicht in Frage. Seine indische Party, die er schon vor Monaten seinen Freunden, Bekannten und guten Kunden versprochen hatte, war schließlich eine Tradition. Der eigentliche Veranstaltungsort war bislang das India gewesen - beziehungsweise der Innenhof des Gebäudes, den er dafür nutzen durfte -, aber dorthin konnte er derzeit niemanden einladen. Auf die Schnelle eine neue Location für knapp zweihundert Gäste zu finden, war nicht leicht ... und der Gedanke, in der Villa zu feiern, einfach zu verführerisch. Inzwischen hatte er kein gutes Gefühl mehr bei der Sache: Er hinterging seinen Arbeitgeber. Aber abblasen konnte er die Party nicht mehr. Zu viele wichtige Geschäftskunden, auf die er angewiesen war, hatten ihr Kommen zugesagt, was mit Sicherheit auch zu einem Teil an der Villa selbst lag. Der Ruf des Ortes machte die Party zu etwas Besonderem.
Will betete zu Shiva, dass der Sir nicht auf Umwegen davon erfuhr; dass nichts zu Bruch ging; dass alle früh nach Hause gingen. Will versprach dem Gott, noch ein paar Opfer zu bringen. Im Gang kamen ihm die Angestellten des Catering-Service entgegen, trugen die großen Behältnisse mit den indischen Köstlichkeiten an ihm vorbei und hinterließen eine so verführerische Duftspur, dass ihm das Wasser im Mund zusammenlief. In der Eingangshalle ging Will die Liste mit den gelieferten Waren kurz mit Anil durch; er war der Chef des Unternehmens, Will kannte ihn aus dem Kalari-Club. »Und danke für den Sonderpreis. Ich mache es mit ein paar extra schönen Gestecken bei der nächsten Büfettdeko wieder gut.«
»Wie immer«, grinste Anil und schüttelte Will die Hand. »Ich muss weiter. Zwei Hochzeiten stehen noch an, und alle wollen meine Hühnchen Tandoori. Und mit
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