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Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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was?« Er eilte zur Tür. »Mit Recht«, rief ihm Will lachend nach. Anil hob noch einmal grüßend die Hand, dann war er verschwunden.
    Will sah den umherwuselnden Gestalten beim Arbeiten zu. Wie gerne würde er entspannen, die Last und den Frust der letzten Tage abstreifen und sich zusammen mit seinen Gästen daran erfreuen, wie sie gemeinsam Indien in Hamburg lebendig werden ließen. Aber es ging nicht. Zu viel beschäftigte ihn, einschließlich des schlechten Gewissens seinem Arbeitgeber gegenüber. Er streifte unruhig durch das Erdgeschoss, gab Anweisungen, brachte hier und da empfindliche Möbel oder Ziergegenstände in Sicherheit und bemerkte dabei einmal mehr, wie sehr er das Anwesen mochte. Mehr als jeden anderen Ort, an dem er vorher gewohnt hatte. Normalerweise blieb er nie lange zur Miete.
    Das Haus war sehr alt, aber der Sir hatte es im Innern modernisieren und renovieren lassen, so dass man - kaum dass man eingetreten war - die altehrwürdige Fassade aus Backstein und verwittertem Granit vergaß und den Eindruck hatte, es mit einem brandneuen Bau zu tun zu haben, der noch dazu mit vielen Versatzstücken aus der indischen Kultur eine ganz besondere Note bekam. Eigentlich gab es im Haus nur ein besonderes Relikt, das von der langen Geschichte des Ortes kündete, ein dunkelgrauer Wandteppich mit schwarzen Ornamenten darauf, in dessen oberem Drittel die Blut speiende Fratze eines Phantasiewesens prangte. Der Wandteppich befand sich zum Schutz gegen Beschädigung hinter einer Plexiglasscheibe. Es gab für das Stück - wie für diverse andere, aber unauffälligere Besonderheiten der Villa - genaue Instruktionen: Der Teppich durfte unter keinen Umständen bewegt oder berührt werden, da schon die kleinste Spur von Feuchtigkeit auf schwitzenden Fingern die Fasern ruinieren würde. Zweimal die Woche musste die Scheibe trocken gereinigt werden, obwohl der Wandschmuck, der vermutlich sogar deutlich älter als das Haus war, in einem Flur hing, den sonst so gut wie nie jemand betrat.
    Will stutzte, als er unvermittelt einen Mann im Overall des Catering-Unternehmens aus einem Zimmer kommen sah, in dem er ganz sicher nichts zu suchen hatte - aus dem Schlafzimmer. Der Angestellte hatte in diesem Bereich des Hauses nichts verloren.
    »Hey, Sie. Sie haben sich verlaufen«, rief er ihm zu. »Sie ...«
    Der Mann schaute über die Schulter - und rannte los!
    Hatte er einen weiteren Dieb auf frischer Tat überrascht? Will nahm sofort die Verfolgung auf. Im Vorbeieilen sah er in sein Zimmer, das durchwühlt worden war.
    Der Mann flüchtete sich schließlich in einen Vorratsraum, aus dem es außer dem kleinen Fenster hoch oben an der Wand kein Entkommen gab. Will kam gerade noch rechtzeitig, als der Dieb versuchte, sich durch den bereits geöffneten Durchlass zu schieben.
    »Sofort runter!« Will packte den Unterschenkel und zog heftig daran; er erhielt einen Tritt gegen die Stirn, der ihn nach hinten schleuderte und gegen das Regal mit den Konserven prallen ließ. Ohne nachzudenken, hob er eine Dose auf und schleuderte sie nach dem Dieb. Das Metall traf in die Nierengegend; der Mann schrie auf und wankte, schob sich aber trotzdem weiter nach draußen. Will kletterte am Regal hinterher und bekam wieder den Unterschenkel zu fassen. »Halt!« Er zerrte so stark, dass er den Mann wieder ganz in den Raum brachte; gemeinsam krachten sie auf den Boden. Doch bevor Will sich aufrappeln konnte, sprang der Kerl auf, griff nach einem Fünf-Kilo-Sack Reis und drosch Will diesen ins Gesicht. Die Wucht genügte, um Wills Kopf nach hinten fliegen zu lassen. Der Aufprall auf den Fliesen raubte ihm für wenige Sekunden den Atem, während die Reiskörner rund um ihn herum zu explodieren schienen. Das genügte, um dem Dieb die Flucht zu ermöglichen. Schnaubend stemmte sich Will in die Höhe; er war nicht bereit, die Verfolgung aufzugeben! Er kletterte zum Fenster hinaus, sprang auf den Boden und hetzte durch den Garten, aber der Vorsprung des anderen war zu groß. Er sah den Dieb noch durch den Garten rennen und gleich darauf mit routinierten, kraftvollen Bewegungen über die drei Meter hohe Mauer klettern. Dann war er verschwunden.
    »So ein Wichser!«, brüllte Will wütend. Er eilte ins Haus zurück, das er diesmal allerdings durch die Tür betrat, und ging auf direktem Weg ins Schlafzimmer, um zu schauen, was der Mann dort gewollt hatte. In dem gehörigen Durcheinander aus umherfliegenden Federn, zerschlitzten Decken, Kissen und der

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