Blutportale
Bündnis schlossen.
»Was hatte Groening eigentlich auf deiner Party verloren?«, fragte sie unvermittelt. »Der hat sich aufgedrängt, und ich konnte ihm nicht vor den Kopf stoßen, auch wenn ich es gerne getan hätte.« Will musste lachen. »Hey, richtig! Du hast ihm ja einen Zahn ausgeschlagen. Ist auch eine Art, vor den Kopf zu stoßen.« »Das war nicht clever, ich weiß.« »Aber sie haben dich alle verstanden.« »Tja«, seufzte sie, »wegen des Vorfalls mit dem Idioten bin ich in den Korridor gelaufen. Und damit hat alles angefangen.« Sie sah ihn fragend an. »Du hattest wirklich nicht die leiseste Ahnung, was hinter dem Teppich lag?«
»Nein. Der Sir meinte nur, dass der Teppich nicht bewegt werden darf. Wenn ich geahnt hätte, was dahinter lauert...« Er biss die Zähne zusammen.
»Gib dir keine Schuld. Du hättest nicht verhindern können, was geschehen ist. Schuld hat der Maitre! Ohne ihn und diese Gabe, die er mir aufgezwungen hat, wäre nichts geschehen. Bis auf den Schlag auf Groenings Maul vielleicht.« Sie schaute zu Justine, die immer noch telefonierte. »Aber du solltest deinen Chef zur Rede stellen. Hast du seine Nummer im Kopf?« »Nein. Sie ist in einem Satellitentelefon gespeichert, das in der Villa liegt.« Will kratzte sich am Kopf. »Ich hoffe, sie führt kein Auslandsgespräch.« »Glaubst du ernsthaft, das würde sie stören?« Saskia grinste, ohne die Frau aus den Augen zu lassen. »Sie sieht ganz normal aus, dabei ist sie eine Werwölfin, ein Fabelwesen, das aus der Hölle kommt ... Wobei: Sagte sie nicht, dass es mehrere Höllen gibt?« Sie schloss die Augen. »Akzeptieren, das klingt so einfach. Aber wie soll ich dabei meinen Verstand bewahren?«
»Es wäre wohl das Beste, nicht darüber nachzudenken«, sagte Will sanft. »Auch wenn es schwerfällt bei so vielen Fragen.« Er beobachtete die Französin nun auch. »Woher stammt sie? Wie ist sie in die Hölle gekommen? Wie entkommt man der Hölle lebend? Wie viele Höllen gibt es, und aus welchem Grund kommt man in welche?« Er schmunzelte. »Und was ist mit den Atheisten?«
Saskia nahm den Ball auf. »In der Hölle zu landen, wäre doch für einen Atheisten die wahre Hölle.« Sie grinsten beide. »Merkwürdig, über was wir uns plötzlich Gedanken machen.« Sie drehte sich zu ihm und blickte ihn an. Will glaubte, dass sie das zum ersten Mal seit ihrem Zusammentreffen richtig tat. Absichtlich, lange und aufmerksam. »Du hast recht. Akzeptieren ist das einzig Mögliche.« Sie atmete tief ein. »Humor hilft, oder?«
»Humor?«, grinste Will sie an. »Dann pass auf: Ein Kannibale, der in seinem Leben immer artig Feinde gefoltert, geschlachtet und gekocht hat, der seine Frau schlug, sooft er konnte, und seine zwei jüngsten Kinder verkaufte, um Geld für Schnaps zu haben, weil es die Traditionen seiner Gottheit so verlangten, stirbt. Er erwacht im Himmel, und dort wird er von seinem Gott empfangen, der ihn herumführt und ihm die schönsten Geschenke macht, bevor er ihn zu einer Hütte am Strand geleitet. Der Kannibale wundert sich und fragt seinen Gott, warum er denn nicht in der Hölle sei, wie die Missionare, die er gefressen hat, ihm vorhersagten. Sein Gott lacht und meint, er habe ja immer nach seinen Regeln gelebt und dass er dafür belohnt wird. Als sie so den Strand entlanggehen, kommen sie an einem Bretterzaun vorbei. Der Kannibale bekommt von seinem Gott gesagt, dass sie leise sein müssen.« Will sah Saskia auffordernd an. »Los, frag schon.« »Warum müssen sie leise sein?«
Will grinste. »Der Gott des Kannibalen sagt: Auf der anderen Seite leben die Christen. Und die sollen weiterhin glauben, dass sie allein im Paradies sind.«
Das Lachen platzte förmlich aus Saskia hinaus.
Als sie sich wieder beruhigt hatten, war es an Will, Saskias Gesicht genau zu studieren. Er hatte sie immer schon attraktiv gefunden, natürlich, aber ihre Flirts waren immer spielerisch gewesen, nie auf ein konkretes Ziel gerichtet. Nun aber merkte er, wie er sich stärker zu ihr hingezogen fühlte, als es unter diesen Umständen möglich schien. Da gab es diese neue, wachsende Verbundenheit mit ihr. Ein Gefühl, das er lange nicht mehr zugelassen hatte.
»Ahrs«, hörte er Justine unverhofft neben sich sagen und schrak zusammen. »Wir haben ein kleines Problem. Je suis morte.« Als sie das Unverständnis in ihren Gesichtern sah, übersetzte sie: »Ich bin tot. Offiziell. Mein Bruder hat mich für verstorben erklären lassen und sich mein
Weitere Kostenlose Bücher