Blutrausch
An der Bar bestelle ich ein Bier und einen Bourbon auf Eis. Ich bekomme ein Budweiser aus der Kühlbox am Ende der Theke. Der Bourbon stammt aus einer Flasche mit der Aufschrift Maker’s Mark, ist aber eindeutig kein Maker’s Mark. Ich reiche dem Barkeeper einen Zwanziger, er gibt mir sechs Dollar raus und fragt, ob ich noch was anderes haben will. Was anderes wäre ein Tütchen Koks für fünfundzwanzig Dollar, von dem ich auch ohne Vyrus nicht high werden würde. Ich lehne ab. Da sonst nichts zu tun ist, tue ich eben das Übliche. Ich sitze irgendwo am Rand, trinke und rauche.
Eine Stunde vergeht. Der Laden füllt sich langsam, ohne dass es merklich lauter wird. Im Blackie’s gibt es nur zwei Regeln. Kein Brüllen und kein Fluchen. Die einzigen lauten Stimmen, die ich höre, stammen aus den Apartments darüber. Das mit dem Fluchen ist so eine Macke von Blackie. Wahrscheinlich beruhigt das irgendwie sein schlechtes Gewissen als Inhaber einer verkommenen Drogenhöhle. Ein paar Leute versuchen, sich zu mir zu setzen und mir im Koksrausch das Ohr abzuquatschen. Ich starre sie so lange an, bis sie wieder verschwinden. Irgendwann taucht auch Blackie auf. Ein schwarzer Mittfünfziger mit einem Schmerbauch, Stiefeln aus Straußenleder, schwarzem Cowboyhut und schweren Goldketten um den Hals. Er setzt sich auf seinen Barhocker am Ende der Theke.
Blackie war damals, als er den ersten Oben-ohne-Club im East Village aufmachte, fast so was wie eine Berühmtheit. Zu jener Zeit war er Zuhälter und verdiente sich mit geschmuggeltem Schnaps eine goldene Nase. Er besaß sogar fünf oder sechs weitere Kneipen in der Umgebung. Aber das war einmal. Er hat den Stripclub vor Jahren aufgegeben, inzwischen ist dort ein Rockschuppen. Seine Nutten machten sich aus dem Staub. Die anderen Läden musste er nach und nach verkaufen. Jetzt ist dieses Loch alles, was von seinem Imperium noch übrig ist. Aber hier macht er möglicherweise mehr Geld als je zuvor. Er kennt mich aus der Zeit, als ich noch Türsteher im Roadhouse war. Er kam immer vorbei und übergab mir ein Bündel Hunderter und eine .25er Automatik mit Perlmuttgriff, und ich musste auf seinen Scheiß so lange aufpassen, bis er wieder ging. Die Kohle gab er ab, damit ihn niemand ausrauben konnte. Die Pistole, damit er nicht in Versuchung kam, denjenigen zu erschießen, der ihn ausrauben wollte. Immer, wenn ich ihm seine Sachen zurückgab, reichte er mir einen der Hunderter.
Ich beobachte ihn, wie er mit dem Barkeeper redet und frage mich, ob er das Bündel Geldscheine immer noch mit sich herumträgt. Eine Tasche seiner schwarzen Levi’s-Jeansjacke hat eine Ausbeulung von der Größe eines Baseballs. Wenn ich ihm den Inhalt abnehmen würde, wären meine Geldprobleme mit einem Schlag gelöst. Er bemerkt, dass ich ihn anstarre, grinst mich mit seinen Goldzähnen an, tippt kurz an die Hutkrempe und befiehlt dem Barkeeper, mir noch einen einzuschenken. Ich nicke ihm zu und lasse den Gedanken, ihn auszurauben, wieder fallen.
Dann trinke ich die spendierten Drinks und rauche noch mehr Luckies. Der kleine Raum ist nikotingeschwängert, und ein Lied von James Brown dringt leise aus der Jukebox. Jeder um mich herum schnüffelt mieses Koks und zieht Lines auf den zerkratzten Resopaltischen. Ab und zu leuchtet ein Licht neben der Tür auf, und Dominick späht durch das Guckloch und lässt den neuen Gast entweder rein oder nicht. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Scheiß Philip. Der Typ legt’s wirklich drauf an, dass ich ihm die Fresse poliere.
Schließlich stehe ich auf und schnappe mir meine Zigaretten, mein Feuerzeug und die Jacke. Ich nicke Blackie noch mal zu und gehe zur Tür. Dominick steht auf, um mich rauszulassen. Gerade, als er durch das Guckloch überprüfen will, ob die Luft rein ist, leuchtet das Licht auf. Er schüttelt den Kopf.
– Moment. Lass mich erst diesen Affen loswerden.
Er öffnet die Tür, und Philip versucht, sich in den Laden zu drängen.
– Hey, Dominick. Hey.
Dominick legt ihm eine Hand auf die Brust.
– Nein.
– Wie meinst du, nein?
– Nein heißt, du kommst hier nicht rein.
– Warum? Warum nicht, verdammt?
– Weil du dich nicht an die Regeln hältst. Du quatschst zu laut und fluchst, und deshalb kommst du hier nicht rein.
– Was redest du da für’n Scheiß von wegen, ich befolge die Scheißregeln nicht?
Dominick will gerade die Tür zudrücken, als ich ihm auf die Schulter tippe.
– Das geht in Ordnung. Ich warte schon die ganze
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