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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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schweigen, aber es schien nichts gebrochen. Ich hatte Glück gehabt. Trotzdem war mir die Angelegenheit peinlich. Langsam wandte ich mich meinem Retter zu und hielt vor Überraschung die Luft an.
    Ich erkannte sofort sein braunes Haar, das er auch an diesem Tag offen trug, und die Art, wie er kerzengerade auf dem Pferd saß, erinnerte mich daran, wie er fast bewegungslos am Fenster gestanden hatte. Ohne Zweifel wusste ich, dass dieser junge Mann mein Schatten vom Fenster gegenüber war. Seine dunklen Augen musterten mich nachdenklich.
    Aus der Nähe betrachtet, bestätigte sich meine Vermutung. Er sah sehr gut aus.
    Ob er mich erkannt hatte?
    Ich wollte etwas sagen, aber bevor ich dazu kam, stellten sich die anderen Reiter bei uns ein.
    Henri stürzte auf mich zu. »Alles in Ordnung?«
    Ich nickte. Kritisch betrachtete er mich, doch als er merkte, dass mir außer einem ordentlichen Schreck nichts widerfahren war, suchte sein Blick den meines Retters. »Habt Dank, Prinz Condé, Ihr habt meiner Schwester das Leben gerettet. Meine Familie steht in Eurer Schuld.« Er deutete eine Verbeugung an.
    Das war also der Prinz Condé. Es fiel mir schwer, die Geschichten, die ich über ihn gehört hatte, mit dem Schatten zu verbinden, dem ich am Fenster gegenübergestanden hatte. Es konnte unmöglich dieselbe Person sein!
    Der Gesichtsausdruck des Prinzen änderte sich. War er zuvor lediglich distanziert gewesen, wurde er jetzt verschlossen.
    »Nun ja«, sagte er mit einer tiefen Stimme und sah mich dabei mit durchdringendem Blick von oben bis unten an, »vielleicht solltet Ihr das nächste Mal überlegen, ob die Jagd der geeignete Zeitvertreib für Eure Schwester ist, de Montmorency. Das Reiten scheint nicht gerade eines ihrer Talente zu sein. Aber wie ich hörte, sucht meine Tante immer wieder nach Mädchen für ihr Ballett. Das Ballett erwartet ja nur, dass sie die Füße der Reihe nach auf den Boden setzt, dazu wird sie vielleicht in der Lage sein, meint Ihr nicht?«
    Während Henri unterwürfig nickte und ich ihm am liebsten den Hals umgedreht hätte, sah der Prinz an mir vorbei, als wäre ich nichts weiter als ein lästiges Insekt, das man mit einer Handbewegung verscheuchen konnte.
    Empört schnappte ich nach Luft. »Ich ...«
    »Außerdem mangelt es ihr an Benehmen«, unterbrach mich der Prinz. »Ihr Dank fiel bisher spärlich, um nicht zu sagen gänzlich aus. Ihr solltet mit den Erziehern Eurer Schwester darüber reden.« Mit diesen Worten ritt er an mir vorüber, während ich vor Wut und Scham rot anlief.
    Sich vorzustellen, dass ich mich vor Kurzem noch mit ihm verbunden gefühlt hatte!
    Nein, mit diesem unverschämten Menschen verband mich wirklich gar nichts. Er war unhöflich, arrogant und herablassend. Kurzum, er schien mir ein furchtbarer Mensch zu sein und ich beschloss, ihn spontan zu hassen. Wie konnte Angoulevent einem solchen Mann nur treu ergeben sein? Alles, was er mir von seinem Herrn erzählt hatte, schien so gar nicht auf diesen Kerl zu passen. Ich konnte mir die Enttäuschung, die ich darüber verspürte, selbst nicht erklären. Es kam mir fast wie ein Verrat vor. Wenn wir uns nun am Fenster gegenüberstehen würden, würde ich immer wissen, wer mein mysteriöser Schatten war, und an die jetzige Begegnung denken. Der Trost, den mir mein Schatten gegeben hatte, war verschwunden.
    Die Königin, die nun ebenfalls bei uns angekommen und ganz außer Atem war, hatte die Bemerkung des Prinzen gehört und bedachte ihn mit einem kühlen Blick. »In der Tat«, sagte sie, und ihr Akzent wurde wieder stärker, »ich denke, es gibt noch einen Platz in meinem Ballett für Euch, Mademoiselle. Ein hübsches Gesicht mehr wird den König kaum stören, nicht wahr, Prinz?«
    Condé näherte sich uns wieder, zog es jedoch vor, nicht zu antworten, lediglich ein Schnauben war zu hören, welches darauf schließen ließ, dass es ihn herzlich wenig interessierte, wie der König oder ich unsere Zeit verbrachten.
    Erneut öffnete ich den Mund, um etwas zu sagen, und wieder redete Henri dazwischen. »Es ist eine große Ehre, Eure Majestät. Selbstverständlich wird Charlotte jederzeit gern Euer Ballett unterstützen.«
    Meinen wütenden Blick bemerkte er nicht einmal. Warum glaubte alle Welt, mir vorschreiben zu müssen, was ich zu tun oder zu sagen hätte? Ich war durchaus in der Lage, für mich selbst zu sprechen. Du lieber Himmel, was sollte ich im Ballett der Königin? Henri wusste sehr genau, dass ich keine besonders begabte

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