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Blutrote Sehnsucht

Blutrote Sehnsucht

Titel: Blutrote Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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hatte die Vorhänge zugezogen. Durch die Fenster sah man die Nacht und windgepeitschte Bäume. Aber die Morgendämmerung war nahe. Das wusste sie. Sie war nicht sicher, woher, aber in ein, zwei Stunden würde der Tag anbrechen. Ihre Glieder waren schwer, als läge sie unter einem Berg Decken, die so straff um sie festgezogen waren, dass sie ihr keine Bewegung erlaubten. Doch vielleicht brauchte sie sich auch nicht zu bewegen, nie wieder. Das müsste eigentlich beruhigend sein. Aber irgendetwas nagte an ihr, ein Gefühl der Dringlichkeit, das sie nicht deuten konnte. Wie sollte sie auch denken mit all dem Nebel in ihrem Kopf?
    Du bist jetzt stark, Ann.
    Das war Stephans Stimme. Das war sie doch? Oder war es ihr neuer Partner, ihr Gefährte, der da sprach? Genau! Das war’s. Sie hatte sich verändert. Sie war jetzt wie Stephan ...
    Stephan! Für ihn musste sie stark sein. Mühsam drehte sie den Kopf. Wie durch Watte konnte sie nun verschiedene Geräusche hören: das Zischen der Glut im Kamin, die Zweige des Fliederbuschs, die das Fenster streiften ... ein leises, etwas brummendes Atmen.
    Benutze deine Kraft, Ann. Die eindringliche Stimme in ihr erinnerte sie an Stephans, aber sie war nicht wirklich seine. Ich bin deine Stärke.
    Ich brauche alle Kraft, die ich aufbringen kann , dachte sie verzweifelt. Gib mir Kraft.
    Die Welt hörte auf, sich zu drehen, das Pochen in ihrem Kopf ließ nach. Das war schon besser. Sie konnte wieder klarer denken. Es schien ihr nun, als läge die Kraft in ihrem Blut, als rauschte sie durch ihren ganzen Körper. Sie konnte spüren, wie sie, angetrieben von ihrem Herzen, bis in ihre Finger und Zehen strömte.
    Wieder versuchte sie, den Kopf zu heben. Sie war nackt und lag auf dem Bett ihres Onkels.
    Erich saß in einem Sessel in der Ecke neben dem Kamin. Sein fliehendes Kinn ruhte auf seiner Brust. Er trug einen Hausmantel aus Brokat und marokkanische Pantoffeln. Der Brandy aus dem Glas in seiner schlaffen Hand hatte sich auf seine Hose ergossen. Das leichte Brummen kam von seinem Schnarchen.
    Und dann war die Erinnerung wieder da. Erich würde ihr Gewalt antun, und Rubius’ Töchter hatten Stephan in ihrer Gewalt und wollten ihn bestrafen, ihn möglicherweise sogar umbringen. Hatte Erich ...?
    Ann wusste es nicht und wollte es auch gar nicht wissen. Mühsam versuchte sie, sich aufzurichten. Der Nebel in ihrem Kopf schien sich wieder zu verdichten.
    Nein. Das konnte sie nicht zulassen. Sie musste Stephan suchen. Gefährte , dachte sie, so klar sie konnte. Ich brauche deine Kraft.
    Das antwortende Rauschen in ihren Adern sorgte dafür, dass sie sich ungemein lebendig fühlte. Alles war möglich. Und das war gut so, weil sie Stephan finden musste. Sie blickte sich nach etwas um, um ihre Blöße zu bedecken. Ihr Kleid, das auf dem Boden lag, war vorn zerrissen.
    Wo konnte Stephan sein? Wohin konnten sie ihn gebracht haben? Sie erhob sich, ein bisschen zittrig noch, und legte sich eine Hand an die Stirn. Aber das Gefühl verging. Leise schlich sie zum Kleiderschrank und zog ihn auf. Die Kleider ihres Onkels waren noch da. Ein Morgenmantel? Nein, der wäre viel zu lang und würde sie behindern. Sie nahm eins der feinen Leinenhemden heraus und streifte es über. So gekleidet, ging sie auf Zehenspitzen zur Kommode und fischte eine der Schalkrawatten dort heraus, die sie wie einen Gürtel unter ihrer Brust zusammenband. So würde das Ganze nicht verrutschen. Was für einen Unterschied es machte, bekleidet zu sein, hätte sie selbst nicht sagen können, aber so fühlte sie sich gegen alles gewappnet, was kommen mochte.
    Ann drehte sich wieder zu Erich um und atmete tief durch. Vielleicht wusste er, wo Stephan war. Sie hatte nichts davon gespürt, als er sie berührt hatte, aber das könnte wegen des Laudanums gewesen sein. Ich bin stark, dachte sie. Und er brauchte die Hilfe der Töchter Rubius’, um mich zu betäuben. Aber die sind jetzt nicht hier.
    Nachdem sie den Gehstock ihres Onkels geholt hatte, ging sie zu dem schnarchenden Van Helsing. Natürlich könnte sie ihn auch mit der Hand berühren, um zu sehen, was er wusste, aber sie ekelte sich schon allein bei dem Gedanken. Und so stieß sie ihn mit dem Stock gegen die Schulter, während sie gleichzeitig ihren Gefährten rief. Erich schnaubte überrascht und blickte verschlafen zu ihr auf, während ein roter Dunst sich auf das Zimmer legte.
    »Wo ist er, Erich?«, fragte sie ganz beiläufig.
    Er schob sich buchstäblich die Rücklehne des

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