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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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auch nicht tun.«
    »Warum das denn?« Lena schlürfte den Schaum ab.
    »Die Revolution von 1848 – schon mal vernommen?«
    »Ich erinnere mich dunkel.«
    »Egal. Jedenfalls habt ihr gewonnen, wieder einmal.«
    Lena trank einen Schluck Bier und hoffte, dass Lázlo nicht wieder austickte. Sie nickte vorsichtig.
    »Die siegreichen Österreicher ließen viele ungarische Generäle hinrichten, einen nach dem anderen. Nach jeder Erschießung stießen sie mit Bier an, diese verfluchten Habsburger.«
    O Mann, der Typ hatte echt übertriebenes Nationalgefühl im Blut.
    »Und das kränkt euch bis heute, ja?«
    »Igen. Bis heute. Und in alle Zukunft.«
    »Auch gut. Also kein Kling-Kling. Prost.«
    »Zum Wohl.«
    Sie tranken, aber wieder wuchs die Mauer aus Schweigen zwischen ihnen.
    »Magst du Jazz?«, fragte Lena schließlich.
    »Ist mir angenehm.«
    »Was hörst du am liebsten?«
    Lázlo deutete auf sein T-Shirt. Sie konnte nicht erkennen, ob es immer noch dasselbe war.
    »Klar«, nickte sie. »Heavy Metal.«
    »Und du?«
    »Alles Mögliche. Von Pop bis Klassik.«
    Sie quatschten über Musik und beide entspannten sich dabei. Lena dachte nicht mehr an ihren missglückten Tauchversuch, Lázlo nicht mehr an den Einbruch in den Pariser Hof. Ihre Stimmen wechselten, stellten Fragen, gaben Antworten und schienen gleichzeitig den anderen zu trösten und zu stärken. Mit der Zeit floss die Musik richtig in Lenas Körper: Erst begann ihr Fuß zu wippen, dann fingen die Finger an zu trommeln und schließlich schlenkerte auch ihr Kopf zu den Rhythmen von Bass, Klavier und Geige.
    »Tanzt du?«, fragte sie schließlich, packte, ohne eine Antwort abzuwarten, seine Hand und zog Lázlo in die Mitte des Old Man’s Club, wo man ein paar Tische zur Seite geschoben – beziehungsweise ein paar Bierfässer aus dem Weg gerollt – hatte.
    Sie drängten sich in die Menge und bewegten sich zur Musik. Lázlo kam sich dämlich vor und war nur froh, dass Janosch ihn nicht sah: einen Soldaten der Schwarzen Armee, der mit Füßen und Händen zu Jazz-Musik zappelte. Aber seine Augen genossen die Bewegungen Lenas und tasteten hungrig nach ihren Armen und Beinen, nach ihrem Kopf, der sich im Takt hin und her wiegte, nach ihren Händen, die durch die Luft fuchtelten, und nach ihren Brüsten, die unter T-Shirt und Schweißflecken rauf und runter wippten. Ein Traum, dachte Lázlo. Aber diesmal ein schöner. Und die alten Knacker heizten der Menge richtig ein. Der Geiger strich auf seiner Violine herum, als wollte er sie durchsägen, die Klavierakkorde wurden immer schneller gesetzt, der Bass dröhnte seine tiefen Buschwindtrommelschläge. Lázlo tanzte. Sein Körper sperrte sich nicht mehr gegen die Musik und gab nach. Er wiegte sich in den Hüften und schleuderte seinen Kopf in der Gegend herum, dass die Schweißtropfen spritzten. Sein Herz hämmerte, sein Kopf dröhnte. Die Hitze im Saal wurde dicker, schien Substanz zu gewinnen, eine Art unsichtbarer Nebel, den jede Bewegung durchschnitt. Sein Körper tanzte, aber seine Augen betrachteten Lena. Sie lächelte. Sie lächelte wirklich, und mit einem Mal kam er sich schmutzig vor, weil er nichts anderes war als ein Spitzel. Er sollte sie nach der Arbeit ihres Vaters aushorchen, sollte ihr Vertrauen gewinnen, jeden Tropfen Wissen auswringen und sie dann fallen lassen wie ein schmutziges Handtuch. Er brach seine wilde Drehung ab, mit der er Lena zu imponieren hoffte, ein balzender Vogel, und Selbstekel stieg in ihm auf. War das richtig? Gab es ein Richtig und ein Falsch?
    »Was ist los?«, rief Lena und strahlte ihn an. Der Song endete mit einem Crescendo, Lázlo verstand ihre weiteren Worte nicht und hoffte auf eine Pause. Aber die Musik glitt ohne Unterbrechung in einen langsamen Sound, die Paare drängten sich aneinander, und das Wort, das Lázlo jetzt von Lena hörte, war ein begeistertes »Blues!«.
    Sie zog ihn an sich. Legte ihre Arme um seine Schultern, verschränkte die Hände hinter seinem Nacken, er spürte sie dort, weich und heiß. Sie zupfte ein bisschen an seinem Haar herum und zog ihn an sich. Noch mehr Hitze. Ihr Atem an seiner Wange. Ihre Brüste an seiner Brust, er spürte ihre erregten Nippel durch den doppelten T-Shirt-Stoff. Was tat er hier? Egal. Nicht nachdenken, nicht jetzt, nichts sehen, nichts hören, aber spüren – ja! Er drückte sich noch enger an sie, wanderte mit den Fingern an ihrem Rücken hinab, stolperte über den Verschluss ihres BHs und tastete schnell weiter. Durfte er

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