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Blutsauger

Blutsauger

Titel: Blutsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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auf der Zunge lag, verkniff er sich ebenfalls. Möglicherweise wäre es unklug, Namen zu nennen. Stattdessen wechselte er das Thema: »Wie groß schätzen Sie die Chance ein, dass diese – nennen wir sie mal Forschungsgruppe – tatsächlich erfolgreich war oder ist?«
    »Nicht sehr groß«, antwortete Moschin, der die Hände tief in den Taschen seines Arztkittels vergraben hatte. »Ein paar Einzelkämpfer werden kaum viel ausrichten können. Dazu brauchen Sie heutzutage Vernetzungen zu Wissenschaftlern in der ganzen Welt.«
    Wieder grinste Stuhler süffisant. »Vergessen Sie nicht, Herr Kollege, dass viele Wissenschaftler lieber im stillen Kämmerlein forschen als in einem großen Team. Man möchte sich etwaige Erfolge nicht teilen müssen.«
    Moschin ging nicht darauf ein. »Mit dem Nabelschnurblut können Sie zwar diverse Bluterkrankungen in den Griff bekommen, aber um einen echten Durchbruch zu erzielen, benötigen Sie Stammzelllinien aus Embryonen. Diese Art von Forschung können Sie aber in Deutschland gleich ganz vergessen.«
    »Weil das verboten ist?«, wollte Häberle genau wissen.
    Stuhler schaltete sich ein: »Stichtagsregelung. Ich weiß nicht, Herr Häberle, inwieweit Ihnen dies geläufig ist. Weil in Deutschland die Züchtung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken untersagt ist, sind die Wissenschaftler auf Importe angewiesen.«
    »Und weil unsere Regierung verhindern will, dass immer neue Embryonen geopfert werden, hat sie diese Stichtagsregelung erlassen«, wurde Moschin deutlich. »Zuerst durften nur embryonale Stammzelllinien eingeführt werden, die vor dem Jahr 2002 gewonnen worden sind. Vor einiger Zeit hat man dies gelockert. Nun müssen sie vor dem 1. Mai 2007 generiert worden sein.«
    Häberle nickte. Er hatte davon gehört, sich jedoch nie ernsthaft damit befasst. »Sie sprechen von Stammzelllinien?«
    »Das sind embryonale Stammzellen, die sich unbegrenzt fortpflanzen lassen«, antwortete Moschin knapp.
    »Damit, so heißt es, könnte man sogar den ewigen Jungbrunnen finden«, grinste Stuhler. »So was wie ein Bio-Ersatzteillager.«
    »Aber die Bedenkenträger in Deutschland bremsen die Forschung aus«, blieb Moschin sachlich. »In den USA und in Japan sind die Bedingungen weitaus besser.«
    »Auch in Spanien«, ergänzte Stuhler. »Dort gelten liberalere Gesetze. Es zeigt sich immer mehr, dass man in unserer heutigen Welt mit nationalen Alleingängen nichts verhindern kann. Denken Sie an den großen Finanzcrash. Jetzt laborieren alle Staaten daran herum, dies in den Griff zu bekommen – aber sie werden’s nicht schaffen, Herr Häberle. Die Politik ist eine Sache – die Realität die andere.«
    »Die Herrschaften in Berlin rennen doch nur noch panisch den Entwicklungen hinterher und reagieren hysterisch auf Dinge, deren Ursache sie ebenso wenig kennen wie die Mechanismen, die international damit verbunden sind«, sprudelte es aus Moschin heraus.
    Häberle hörte das gerne. Der Mann, den er als sehr zurückhaltend und distinguiert eingeschätzt hatte, lag genau auf seiner Wellenlänge. Sicher würde er zur völlig verkorksten Gesundheitsreform einige Sätze sagen können, doch dazu blieb keine Zeit. Häberle schielte auf seine Armbanduhr. Er wollte vor seiner morgigen Dienstreise wenigstens den restlichen Abend mit seiner Ehefrau verbringen.
    »Noch eines würde mich interessieren«, fügte er an. »Gibt es von der Klinik irgendwelche Kontakte zu diesem Naturschutzzentrum in Schopfloch, droben auf der Alb?«
    Moschin sah irritiert zu Stuhler, den die Frage eher zu amüsieren schien.
    »Mehr als dass ich gelegentlich mit meiner Gemahlin dort oben spazieren gehe, sicher nicht. Ich schau mir gerne an, was dort geleistet wird. Sehr beachtlich. Sie bauen um und vergrößern. Und …«, er setzte wieder sein spitzbübisches Lächeln auf, »… sie befassen sich gerade mit heimischen Insekten und Stechmücken und so was. Die Rede ist von ›Blutsaugern‹. Find ich originell, um ehrlich zu sein.« Er schielte zu Moschin, der offenbar für Stuhlers heiteres Gemüt wenig Verständnis hatte. »Blutsauger«, wiederholte der Chefarzt. »Das könnte auch auf uns Weißkittel zutreffen.«

57
    Kerstin war vorsichtig weitergefahren. Die kleine Verbindungsstraße schlängelte sich durch die tief verschneite Landschaft. An manchen Stellen erreichten die hochgepflügten Schneewände die doppelte Fahrzeughöhe. Die Scheinwerfer strichen an den weißgrauen Schnee- und Eismassen entlang, während die

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