Blutsauger
Touristikbetrieb stand er sich meist selbst im Wege und kompensierte seine Unsicherheit durch arrogantes und bisweilen unflätiges Benehmen gegenüber seinen Mitarbeitern. Dann konnte er sich wie ein Patriarch aus dem vorletzten Jahrhundert aufführen. Dass er sein Betriebsklima längst systematisch vergiftet hatte, viele Mitarbeiter, darunter überwiegend Frauen, psychisch erkrankten und kompetente Fachleute das Weite suchten, empfand er nicht als die Folge seines Auftretens, sondern fühlte sich in der Einschätzung bestätigt, dass ›alle nichts taugen‹, wie er sich auszudrücken pflegte. Hoyler und Maronn war der wahre Charakter ihres gemeinsamen Geschäftsfreundes nicht verborgen geblieben. Er galt unter ihnen als Soziopath und überdies als Prototyp eines Unternehmers, der sich vorgenommen hatte, seinen Betrieb sehenden Auges an die Wand zu fahren. Und Schuld würden eines Tages die anderen sein – denn nur er hatte das Recht auf die Wahrheit gepachtet. Wie einer, der als Geisterfahrer auf die Autobahn fuhr und sich über die vielen anderen beklagte, die ihm entgegenkamen und ihn am Fortkommen hinderten.
»Meinst du, ich könnt meinen Laden länger als eine Woche allein lassen?«, reagierte er auf Maronns Vorschlag, den Urlaub um ein paar Tage auszudehnen.
Hoyler grinste: »Deine Mitarbeiter würden’s dir danken.«
Fiedler schwieg. Er war rhetorisch den anderen ohnehin nicht gewachsen.
»Junge«, entgegnete ihm Maronn. »Lass deine Mitarbeiter machen – je weniger du an denen herummäkelst, umso besser läuft dein Laden. Mag es ja einen gewissen Prozentsatz geben, der tatsächlich nur rumhängt und faulenzt, aber wenn du deretwegen deinen ganzen Laden gängelst und gegeneinander aufmischen willst, versaust du dir dein Betriebsklima und demotivierst den Rest der Belegschaft, sodass du unterm Strich mehr Miese machst, als wenn du versuchst, ein beliebter Chef zu sein. Du musst dich mal sozial geben. Wenigstens so tun als ob.« Maronn war jedoch klar, dass Fiedler seinen Worten gar nicht folgen konnte. Allein schon die Wortkombination »beliebter« und »Chef« schien ihm völlig abstrus zu sein.
Hoyler trank sein Glas leer und wischte sich mit dem Handrücken Schweiß von der Stirn. »Um auf unser Kernproblem zurückzukommen«, sagte er dann, »vielleicht hat Elmar mit seinem Abtauchen gar nicht mal so Unrecht.«
»Nun«, meinte Maronn spitzbübisch, »ich bin mir nicht mal so sicher, ob es da nicht noch andere Gründe gibt, um für ein paar Tage von der Bildfläche zu verschwinden.«
»Andere?«, staunte Hoyler, während Fiedler, in sich gesunken, neben ihm dem Gespräch lauschte und – wie Maronn es einschätzte – wieder neue Schikanen gegen seine Belegschaft ersann und wohl die Neueinstellung weiterer Controller in Erwägung zog, anstatt eigenen innovativen Gedanken Raum zu verschaffen.
»Nicht nur solche mit wackelndem Arsch«, gab sich Maronn ungewohnt offen. »Auch wenn er zwei Mädels herbestellt hat.« Er grinste. »Krankenschwestern sollen’s sein, hat er mir erzählt.«
»Krankenschwestern? Aus seiner Klinik womöglich? Ist der noch bei Sinnen?«
Maronn zuckte mit den Schultern. »Muss er selbst wissen, was er tut.«
»Wie heißen die denn – hat er was gesagt?«
»Wieso interessiert dich das?« Maronn wurde misstrauisch.
»Für alle Fälle. Elmar taucht ab – und da hocken irgendwo zwei Mädels rum …«
»Um die du dich jetzt kümmern willst!«, keifte Fiedler dazwischen.
»Ach, hör auf«, ärgerte sich Hoyler. »Wir sollten wenigstens über alles informiert sein, was da läuft. Für alle Fälle.«
Maronn überlegte. »Die eine heißt Melanie, die andere Caroline. Ich kann mich nur an den Nachnamen von einer erinnern. Sauer. Sauer – ja, das hab ich mir gemerkt.«
Fiedler wurde wieder aktiver und wandte sich an Hoyler: »Hab ich das richtig in Erinnerung? Du hast Elmar hier mal was vermittelt, oder?«
Hoyler lehnte sich aufrecht zurück und setzte eine Unschuldsmiene auf. »Nicht ich, mein lieber Freund. Nicht ich. Er hat mich mal gefragt, wie das mit dem Kauf einer Ferienwohnung oder eines Appartements auf den Kanaren funktioniert. Vermittelt hab ich ihm gar nichts. Das dürft ihr mir glauben.« Er wollte Fiedler mit ins Gespräch einbeziehen, doch träumte der gerade von Abhöranlagen, versteckten Videokameras oder neuen Zeiterfassungssystemen, die bei der An- oder Abwesenheit seiner Mitarbeiter die Hundertstelsekunden registrierten. Jedenfalls nickte Fiedler
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