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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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über zerzauste Pappeln hebt und die Friedhofsmauer in ein diffuses Licht taucht. Emre und Hakan kauern im Staub, bluten aus Platzwunden im Gesicht, hocken da in ihrer zerrissenen Kleidung, starren vor sich hin und sagen nichts mehr.
    Ömer hilft seinem Bruder auf, lässt ihn den Arm um seine Schulter legen und geleitet den Großen, den er bewundert, den er von nun an noch mehr bewundern wird, vorsichtig zurück in ihr Viertel.
    Darius geht zu Hakan und sagt: »Was sollte das jetzt? Wem nützt das?« Und leise setzt er hinzu: »Komm, ich bring dich nach Hause.«
    Vor der Wohnungstür angekommen, lässt Hakan Darius klopfen, bis er weiß, dass seine Mutter noch in der Kanzlei einer Anwaltsgemeinschaft putzt. Er schleppt sich in sein Zimmer, packt die blutigen und zerrissenen Kleidungsstücke in eine Plastiktüte, die er unterm Bett versteckt, und lässt sich von Darius mit lauwarmem Wasser das Gesicht waschen und die Wunden desinfizieren.
    »Wie seh ich aus?«, fragt Hakan.
    »Frankensteins Monster würde dich mögen. Bei Alina bin ich mir nicht mehr so sicher.«
    »Haha.«
    Hakan versucht ein ungeschicktes Grinsen. Die geschwollenen Lippen verhindern, dass er den Mund verzieht.
    »Sag ih r … sag ihr, mir geht’s gut.«
    »Okay.« Darius hebt unwillig die Achseln. »Was sagst du deiner Mutter?«
    »Neonazis.«
    Er umklammert Darius’ Handgelenk. »Ich sag ihr, dass es Neonazis waren. Das versteht sie besser. Sag’s ihr auch so, falls sie dich mal fragt, ja?«
    Darius merkt, wie er lustlos nickt. Bevor er sich verabschiedet und das Zimmer verlässt, murmelt er müde: »Geht mir ähnlich. Ich würde das mit den Nazis auch besser verstehen, ehrlich.«
    Als er die Klinke der Tür schon in der Hand hält, erwidert Hakan, ohne den Freund dabei anzusehen: »Trotz deiner neuen Freundin?«
    Darius durchfährt es heiß.
    »Woher weißt du das?«
    Hakan zuckt die Schultern. »Zufall. Hab euch gesehen.«
    Nachdem Darius sich gefasst hat, antwortet er ruhig und ohne ein Zittern in der Stimme: »Auch wenn du’s nicht glaubst, sie ist okay.«
    Hakan, unterm Türsturz und mit verpflastertem Gesicht, mustert ihn ausgiebig und lange.
    »Ah«, sagt er, »so?«
    Nach einer Pause fügt er hinzu: »Und wie ist das gewesen, als ihr euch das erste Mal kennengelernt habt? War sie da auc h … okay ?«
    Langsam wendet er sich ab, während Darius das Gefühl hat zu fallen.
    »D a …«, Darius merkt, dass er stammelt, »warum weißt du davon?«
    »Haben mir ein paar Leute von der Antifa erzählt. Vor Kurzem.«
    Hakan hat den Kopf halb gewendet und schaut über die Schulter zurück. Trotz der Schwellungen im Gesicht lächelt er leicht.
    »Weißt du, was ich finde? Ich finde deine Nähe zu diesen Leute n … bedenklich.«
    Damit dreht er sich endgültig um, und ehe Darius etwas einwenden kann, schließt er die Wohnungstür, während Darius im Treppenhaus zurückbleibt.
    Unfähig, die wenigen Stufen hinunterzusteigen und das Haus zu verlassen, umklammert er den Handlauf des Geländers.
    Langsam lässt er sich daran heruntergleiten, bis er auf dem Treppenabsatz zu sitzen kommt und, die Hände vor den Augen, reglos dort verharrt.

8
    Darius hat eine Weile gebraucht, um über die Bemerkung hinwegzukomme n – »deine Nähe zu diesen Leuten«. Er hat überlegt, ob er Hakan trotz dessen Zustand noch einmal zur Rede stellen soll, hat sich endlich erhoben, um zu klingeln oder zu klopfen, hat vor der Wohnungstür gestanden und gezögert. Dann hat er im Vorderhaus Schritte gehört und ist eilig ein Stockwerk höher gestiegen, rasch genug, um Hakans Mutter nicht zu begegnen, die müde von der Arbeit gekommen ist. Er hat gewartet, bis sie aufgeschlossen und den Korridor betreten hat, und ist, kaum dass die Tür ins Schloss fiel, an der Wohnung vorbeigeschlichen und über den Hof gelaufen, nicht zur Straße, sondern zum verfallenen Fabrikgelände, das er meist meidet, obwohl es eine Abkürzung ist. So spät in der Nacht liegt es still und verlassen wie eine unbewohnte Insel inmitten der schlafenden Stadt.
    Schon auf dem Heimweg denkt Darius nur noch kurz an Hakans eigenartigen Vorwurf. Ausgerechnet er , dem die Antifa gerade erst vorgehalten hat, sich mit seiner Patrouillenidee rechtsradikal zu äußern, unterstellt mir eine Nähe zu den Nazis!
    Aber es ist nicht Hakan selbst, der Darius von dem Gedanken ablenkt und ihm das Verhalten des Freundes weniger gewichtig erscheinen lässt, als es sonst vielleicht der Fall wäre. Es ist der Satz, den Emre am

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