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Blutschande

Titel: Blutschande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Therese Philpsen
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dann hat er kalte Füße bekommen, vielleicht weil sie mit einer Freundin zusammen war. Er hatte Angst, gesehen zu werden.«
    »Deshalb der Hut«, sagte Liv.
    Roland zeigte auf sie.
    »Genau. Er sieht vom Balkon aus, dass sie nicht allein ist, und ruft sie an, um das Treffen zu verlegen. Sie treffen sich dann anschließend im Schutz des Waldes.«
    »Sie reden, und sie sagt ihm, was sie weiß. Vielleicht droht sie, alles an die Öffentlichkeit zu bringen, und sie geraten aneinander …«
    »Oder er geht auf ihre Bedingungen ein, damit sie den Mund hält«, unterbrach Anette ihn und wurde dann selbst von Roland unterbrochen:
    »Und dann beschließt er, sie ein für alle Mal zum Schweigen zu bringen. Er folgt ihr, als sie mit dem Fahrrad nach Hause fährt, vielleicht wartet er draußen vor ihrem Fenster, bis sie ins Bett gegangen ist. Und dann steigt er über die Leiter oben bei ihr ein, erstickt sie mit ihrem eigenen Kissen und trägt sie dann nach unten, wo er sie im Kriechkeller versteckt.
    »Und fesselt ihr die Hände mit dem Seil«, ergänzte Liv.
    »Seine persönliche Handschrift, ja. Das muss er tun«, sagte Anette.
    Sie sahen einander an. Alle. Für einen Augenblick breitete sich Zufriedenheit aus. So konnten die Fakten zusammenhängen.
    Dann mischte Miroslav sich ein.
    »Aber warum zum Henker wartet er, bis sie zu Hause ist? Warum macht er sie nicht gleich im Wald tot?«
    Männliche Stimmen konnten also auch schrill sein, dachte Roland und schloss die Augen. Wäre er ein Kind gewesen, hätte er sich jetzt die Ohren zugehalten und zu singen begonnen. Aber er war kein Kind, leider.
    »Warum ermordet er sie nicht gleich im Wald, heißt das«, korrigierte Roland ihn.
    »Whatever«, antwortete Miroslav. »Warum ermordet er sie erst zu Hause?«
    »Vielleicht ist ihm erst nach einer Weile bewusst geworden, dass er sie aus dem Weg räumen muss?«, antwortete Roland. »Oder er hatte vielleicht Angst, jemand könnte ihn hören.«
    »Das Risiko, entdeckt zu werden, ist bei ihr zu Hause doch wohl um einiges größer. Schließlich waren ihre Eltern im Haus. Und das bringt mich zum nächsten Punkt. Warum hören die Eltern den Lärm nicht, wenn wirklich Sachen aus dem Regal gefallen sind?«
    Per Roland schwieg. Er musste einräumen, dass sein Kollege recht hatte, aber noch kannten sie ja die Motive des Täters nicht. Vielleicht gab es ihm einen Kick, sie in ihrem eigenen Heim umzubringen? Vielleicht wollte er warten, bis sie schlief, damit sie nicht so viel Widerstand leistete? Oder wollte er den Verdacht auf die Eltern lenken? Haben die nichts gehört, weil sie oben so laut ferngesehen haben? Irgendwie musste es doch eine logische Erklärung geben, die gab es doch immer, verflucht noch mal! Sogar bei der Mondlandung und den Stimmbändern.
    Wenn das nur nicht bedeutete, dass sie vollends auf dem Holzweg waren!
    Und das waren noch nicht einmal alle Details: Das Handy des Mädchens war noch immer nicht aufgetaucht, und es war mehr als unwahrscheinlich, dass Henrik Frandsen etwas von der Existenz des Kriechkellers unter dem Haus der Junge-Larsens wusste. Schließlich war der Eingang durch einen Teppich verdeckt gewesen.
    Per Roland ging in Gedanken alles noch einmal durch, wagte es aber nicht, seine Schlussfolgerung laut zu äußern. Stattdessen sagte er zum ersten Mal in richtiger Chefmanier:
    »Verdammt noch mal, können wir denn wirklich nichts finden, was Henrik Frandsen definitiv mit diesem Haus hier in Verbindung bringt? Jetzt geht schon an die Arbeit, los, ihr wisst, was ihr zu tun habt. Ich will wissen, welches Kissen benutzt worden ist. Ich will wissen, in welchem Zimmer genau sie umgebracht worden ist. Und dann will ich einen Fingerabdruck, einen Tropfen Speichel oder Sperma. Es ist mir scheißegal, Hauptsache, ihr findet etwas, womit wir ihn festnageln können. Jeder Täter hinterlässt irgendeine Spur. Jeder macht einen Fehler. Los jetzt!«, rief er und spürte, wie seine Stimmbänder kürzer und schmaler wurden.
    Er sah aber auch, dass es wirkte.

18
    Eigentlich sollte sie auf dem Weg nach Hause sein. Roland hatte sie alle mit einem Dank für den Tag entlassen und war dann selbst nach Hause gefahren. Und vor wenigen Augenblicken hatte sie sich auch von Max Motor und Miroslav verabschiedet, die als Letzte gegangen waren. Jetzt saß sie allein im Büro und fragte sich, warum es ihnen nicht gelungen war, im Haus der Junge-Larsens den schlagenden Beweis zu finden, nach dem sie so intensiv gesucht hatten. Waren sie auf

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