Blutschande
es mit einer wie Liv gewesen war.
Es war der Wachhabende.
»Die Nachbarn haben angerufen. Michael und Anne Grethe Junge-Larsen sind wieder zurückgekommen und befinden sich jetzt in ihrem Sommerhaus.«
»Danke, ich komme sofort«, sagte Roland und stand eilig aus dem Bett auf.
»Vom Telefon gerettet«, sagte er leise zu sich selbst, als er in seinem Auto saß und Liv anzurufen versuchte. Nach drei Versuchen hinterließ er ihr eine Nachricht, bevor er vor dem Präsidium vorfuhr.
»Guten Morgen, alle zusammen«, begann Per Roland die Morgenbesprechung, die zu seiner Überraschung ohne Liv beginnen musste. Etwas irritiert schloss er die Tür des Raumes.
»Heute ist Freitag, der 20. September, wir haben in diesem Jahr noch 102 Tage vor uns. Es ist der Namenstag von Tobias und der Tag, an dem Magellan 1519 von Spanien aus mit fünf kleinen Schiffen zu seiner ersten Weltumsegelung aufbrach.«
»Liv fehlt noch«, sagte Max Motor.
Roland nickte.
»Das sehe ich«, sagte er.
»Wo ist sie?«
»Woher soll ich das denn wissen?«, polterte er und bemerkte, wie überrascht seine Mitarbeiter über seine etwas zu heftige Reaktion waren. »Bei mir hat sie sich nicht gemeldet, okay?«
»Ich hab doch nur gefragt«, murmelte Max. »Es könnte ja etwas passiert sein.«
Per Roland trank einen Schluck Kaffee und sah in die Runde. Er hoffte von ganzem Herzen, dass das nicht der Grund ihres Fehlens war.
»Sie taucht schon noch auf«, sagte er nur. »Fangen wir an. Wo stehen wir?«
»Ich bin in Mettes PC reingekommen und werde wohl heute damit fertig werden«, sagte Miroslav. »Liv hat mich gestern Abend noch angerufen und gebeten, Mettes Konten zu checken. Sie hat sich gefragt, wie die Frau sich das Reihenhaus leisten konnte, in dem sie wohnte.«
Roland nickte.
»Ein guter Gedanke. Dann hoffen wir, dass der Computer ein paar Informationen beinhaltet. Weiter?«
Im gleichen Moment ging die Tür auf.
»Ich habe etwas«, kam es von Liv, die plötzlich in der Türöffnung stand. In der Hand hielt sie ihren braunen Herrenhut. Ihre Haare standen in alle Richtungen ab und sahen schlimmer aus als je zuvor. Außerdem sah sie etwas verwirrt und müde aus. Zuerst lächelten alle bei ihrem Anblick, doch dann machte sich eine gewisse Unruhe breit.
»Liv, geht’s dir gut?«, fragte Anette und stand auf.
Sie zog einen Stuhl zurück, und Liv ging zu ihr und setzte sich. Anette sah sich ihren Hinterkopf besorgt an und blickte dann zu Roland.
»Liv, du hast Blut in den Haaren«, sagte sie dann. »Was ist passiert?«
Liv fasste sich an den Hinterkopf und bekam blutige Finger. Dann legte sie ihren Hut auf den Tisch. Er war in der Mitte ganz plattgedrückt und blutverschmiert.
»Das ist eine längere Geschichte«, sagte sie dann. »Ich glaube aber, dass der Hut das meiste abgefangen hat.«
»Wir haben genug Zeit, um uns deine Geschichte anzuhören«, sagte Max und goss ihr eine Tasse Kaffee ein.
Liv trank einen Schluck und atmete ein paar Mal tief durch.
»Okay. Gestern Abend bin ich noch einmal zu Mette Berendsens Reihenhaus gefahren.«
»Warum?«, wollte Anette wissen. Ihre Stimme klang noch immer besorgt.
»Ich habe mich einfach zu sehr über das Chaos in ihrer Wohnung gewundert. Ich dachte, dass der Täter etwas bei ihr gesucht haben könnte, und dass es vielleicht deshalb so unordentlich war. Und es war doch möglich, dass er es noch nicht gefunden hatte.«
»Kein dummer Gedanke«, sagte Svendsen.
»Unter dem Bett war mit Tape ein Tagebuch festgeklebt. Ich setzte mich hin und begann zu lesen, wurde dann aber von hinten niedergeschlagen. Als ich aufwachte, lag ich auf dem Boden, und das Tagebuch war weg.«
Per Roland fasste sich an den Kopf und schnaubte.
»Verdammt, Liv, du hättest erschlagen werden können. Was hast du dir denn dabei gedacht? Allein an einen Tatort zu fahren …«
Anette warf ihm einen Blick zu.
»Nicht jetzt, Roland, okay? Das Mädchen steht doch noch unter Schock … sie hat einen ordentlichen Schlag auf den Kopf gekriegt, das siehst du doch. Du solltest in die Ambulanz gehen, Liv, das muss genäht werden.«
Liv tastete noch einmal mit den Fingern die Wunde ab.
»Das werde ich auch tun, aber erst muss ich euch noch erzählen, was ich in diesem Tagebuch gelesen habe. Mette begann etwa mit elf Jahren, darin zu schreiben, und hat am 3. September 1996 ihre letzte Eintragung gemacht. An dem Tag wurde Katja Adelskov vergewaltigt.«
»Vergewaltigt?«, sagten alle Anwesenden im Chor.
»Stand das im Buch?«,
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