Blutschande
irgendeiner einsamen Freundin ankam, die einen One-Night-Stand brauchte. Das wäre einfach zu schlecht.
Gleich darauf kam sie wieder nach unten geschlendert. In der Hand hielt sie eine kleine Tüte. Sie setzte sich an den Tisch und kippte den Inhalt der Tüte aus.
»Das hilft mir immer, wenn ich down bin«, sagte sie, während sie ein grün-schwarzes Plättchen aus dem Silberpapier schälte. Es sah aus wie Schokolade, Roland wusste aber sofort, was es wirklich war. Die Tüte enthielt auch ein Päckchen Zigaretten, Papers und Filter. Roland sah Liv mit seinen Kermit-Augen an.
»Was zum Henker machst du da?«
»Das ist echt klasse. Ein Superstoff. Der beste, den du zurzeit auf dem Markt kriegen kannst.«
»Das ist doch nicht das, was ich glaube, oder?«
»Natürlich ist es das nicht. Du kannst es gerne als ein schmerzstillendes Mittel bezeichnen, wenn du willst«, zog sie ihn lächelnd auf.
Roland stöhnte und überlegte, ob er gehen sollte.
»Verdammt, jetzt entspann dich doch mal, Roland«, sagte Liv, während sie den Tabak auf ein kleines Stück Karton krümelte. Dann brach sie ein Klümpchen von der grünschwarzen Masse, erwärmte es und bröselte es über den Tabak. »Ich verspreche dir, dass du nicht dran stirbst.«
»Verdammt, Liv. Wir können hier doch nicht …«
»Du siehst doch, dass wir das können. Lass mal die Zügel schleifen, mein Freund, es passiert schon nichts. Außerdem ist das zum eigenen Gebrauch. Ich habe nicht mehr, als man darf.«
Liv streute den Tabak auf das Jointpapier, drehte das Paper zusammen, leckte die Gummierung und klebte die Tüte zu.
»Du bist ein Profi, das sieht man«, platzte Roland hervor. Verärgert, aber auch neugierig.
Liv lächelte und reichte ihm den Joint und das Feuerzeug. »Der erste Zug ist der beste«, sagte sie. »Du riskierst höchstens, deine Ex zu vergessen und einen netten Abend zu haben. Versuch mal was Neues.«
Er starrte sie an. Neugierig, etwas zu probieren, was er bisher immer abgelehnt hatte, besorgt, dass ihn jemand erwischen könnte und scheißbesorgt, dass er sich lächerlich machen oder ihr auf den Boden kotzen könnte. Stärker als all seine Ängste und Sorgen war aber der Drang, seine Ex zu vergessen und ein bisschen auszuflippen. Er wollte das Telefonat vergessen, das er eben geführt hatte, wollte vergessen, dass sie jemals zusammen gewesen waren.
Und er wusste, dass ihm das alles vollkommen egal sein würde – jedenfalls solange der Rausch anhielt –, wenn er jetzt einen Zug von diesem Joint nahm.
»Versuch etwas Neues, erforsche dich selbst«, hatte Cynthia gesagt, als sie ihn damals vor die Tür gesetzt hatte.
Verdammt, dachte er und nahm Joint und Feuerzeug entgegen. Dann zündete er ihn an. Vorne loderte eine kleine Flamme auf, erlosch aber gleich wieder, als das Papier-ende abgebrannt war. Roland zog den Rauch so tief in seine Lungen, wie er nur konnte, und spürte ein Brennen in seinem Hals.
Liv sah ihn gespannt und mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen an.
»Immer mit der Ruhe«, sagte sie. »Lass mir auch noch etwas übrig.«
28
Es war nicht so, als hätte sie nicht schlafen können. Als Mutter zweier kleiner Kinder bekam sie eigentlich permanent zu wenig Schlaf, aber es war erst zwanzig nach neun, und außerdem schien sich Roland vorgenommen zu haben, einen ganzen Wald abzusägen.
Sie schlang sich eine Decke um den nackten Körper, setzte sich mit angezogenen Beinen auf das Fensterbrett und blickte über den schwarzen Øresund, während sie eine Zigarette rauchte und den Qualm aus dem offenen Fenster blies. Der Fall ging ihr nicht aus dem Kopf. Immer wieder musste sie an Cecilie Junge-Larsen und ihre erst heute aufgetauchte Zwillingsschwester denken. Und an Mette Berendsen und das Chaos, das der Täter bei ihr hinterlassen hatte. Hatte er das wirklich nur getan, damit es wie ein Einbruch aussah?
»Er muss nach etwas gesucht haben«, murmelte sie. Dem Anruf konnte sie entnehmen, dass die Frau etwas gewusst haben musste. Vielleicht hatte sie ja auch irgendeinen Beweis gehabt, der sich möglicherweise noch immer im Haus befand?
Plötzlich begann ihr Handy zu klingeln, das auf dem Nachtschränkchen lag. Sie warf die Zigarette aus dem Fenster, beeilte sich aber nicht sonderlich, das Gespräch entgegenzunehmen. Roland durfte ruhig wach werden, damit sie ihn aus dem Haus bekam. Aber der Joint schien ihn vollkommen ausgeschaltet zu haben, jedenfalls quittierte er das Klingeln nur mit einem Grunzen, um sich dann
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