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Blutschande

Titel: Blutschande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Therese Philpsen
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Stöhnend setzte Liv sich aufs Bett. Vielleicht gab es doch nichts zu finden? Sie stützte sich mit den Händen auf der Matratze ab, bevor sie plötzlich aufsprang und den Bettbezug herunterriss. Das Bett bestand aus zwei nebeneinander gelegten Matratzen. Sie krabbelte in die Mitte und fuhr mit der Hand den Spalt zwischen den Matratzen ab. Dann kniete sie sich auf den Boden und blickte unters Bett. Am Lattenrost war mit breitem Tape etwas befestigt worden. Sie löste es und stellte fest, dass es sich um ein kleines Buch handelte. Auf dem hellroten Umschlag prangten Prinzessinnen. Das Buch sah sehr kindlich aus. Es hatte ein kleines Schloss, das Liv mit dem Schraubenzieher aufbrach, den sie immer in der Tasche hatte und der ihr schon mehrmals aus misslichen Lagen geholfen hatte. Dann ging sie mit dem Buch nach unten, setzte sich an den Küchentisch und schlug es auf.
    Auf der ersten Seite stand »Mettes Tagebuch«. Sie blätterte weiter und las Mette Berendsens Gedanken und Erlebnisse, als sie elf Jahre alt war. Liv lächelte und lachte über etwas Lustiges, was sie geschrieben hatte. Dann blätterte sie weiter, bis sie zum Jahr 1996 kam, in dem Mette Berendsen dreizehn Jahre alt war. Liv las, was Mette alles mit ihrer Freundin Katja Adelskov erlebt hatte. Sie las über die Jungs, die die beiden interessant fanden, wen in der Klasse sie nicht mochten und welche Filmstars sie heiraten wollten, wenn sie groß waren. Alles ganz normal für ein dreizehnjähriges Mädchen.
    Bis sie zum 3. September 1996 kam, an dem das Tagebuch komplett seinen Charakter änderte. Plötzlich waren die Sätze wild und unzusammenhängend, irgendetwas war mit ihrer Freundin geschehen, Mette war unglücklich gewesen. Liv las weiter und verstand plötzlich.
    »Sie wurde vergewaltigt«, sagte sie laut vor sich hin, kam aber nicht mehr weiter, denn im gleichen Moment traf sie etwas Hartes am Kopf. Ein unbeschreiblicher Schmerz durchzuckte ihren Körper, so dass sie in einem Sternenregen vornüber stürzte.

29
     
    Die Kopfschmerzen waren wirklich unbeschreiblich. Sie kamen irgendwie von innen, bohrten sich ihren Weg hinter die Augen und strahlten in jeden Winkel aus, in jeden Nerv, in jede Zelle des Gesichts. Per Roland versuchte, den Kopf zu bewegen, doch es ging nicht. Weit entfernt hörte er eine Stimme. Jemand mit langen Stimmbändern, trotzdem kam die Stimme ihm schrill vor.
    Er begnügte sich damit, ein Augenlid etwas hochzuziehen, und sah das Gesicht eines jungen Mannes. War das Peter? War er zu Besuch? Aber nein, das konnte nicht Peter sein. Dieses Gesicht sah ihm nicht einmal ähnlich. Dann kam die Erinnerung. Er schlug beide Augen auf und sah den jungen Mann in voller Größe vor sich stehen. Erschrocken wollte er sich aufrichten, bemerkte dann aber, dass er nackt unter der Decke lag, so dass er sich wieder hinlegte. Dann sah er zu Livs Seite hinüber. Sie war leer.
    »Ich bin Claus«, sagte der junge Mann und reichte ihm die Hand.
    Roland schlug vorsichtig ein. Der junge Kerl war groß.
    »Also, entschuldige, ich wollte dich nicht stören«, sagte Claus und lächelte, »ich brauche nur …« Er zeigte auf den Kleiderschrank. »Ich brauche nur ein paar saubere Klamotten. Schlaf nur weiter. Es ist erst halb sieben. Ich muss in einer halben Stunde zur Arbeit.«
    Roland lächelte etwas gezwungen und nickte.
    »Schon okay«, sagte er. »Ich muss jetzt auch aufstehen.«
    Claus zog sich ein paar Sachen aus dem Schrank, während Roland noch weiter unter die Decke kroch. Er hielt nach seinen eigenen Sachen Ausschau und fand sie am Boden liegend. Hatten sie …?
    »Wo ist eigentlich Liv?«, fragte Claus.
    Roland sah noch verwirrter aus.
    »Ich dachte, das könntest du mir sagen.«
    Claus zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht war heute Morgen irgendetwas mit den Mädchen«, sagte er. »Sie wird schon wieder auftauchen. So ist das immer bei ihr. Sie fragt mich auch nicht, wo ich heute Nacht geschlafen habe.«
    In Per Rolands Kopf drehte sich alles mit überhöhter Geschwindigkeit. Vielleicht war er einfach zu alt für all das.
    »Schon in Ordnung«, sagte er zum zweiten Mal an diesem Morgen.
    »Ich wette, du bist bloß aus Neugier hierhergekommen«, sagte Claus. »Du wolltest doch bestimmt wissen, wie es ist, mit einer wie Liv Sex zu haben.«
    Roland sah Claus verwirrt an. Dann begann seine am Boden liegende Hose zu klingeln, und er suchte nach seinem Handy, während er sich ärgerte, dass er zu high gewesen war, um sich daran zu erinnern, wie

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