Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
Vom Netzwerk:
den Schnee. Der kleine Raubvogel, der dunkler war und irgendwie anmaßender und kriegerischer wirkte als der Rotschwanzbussard, schlug den Schnabel elegant in das Fleisch des Huhns.
    »Ich würde mich lieber mit solchen Raubvögeln beschäftigen als Basketball spielen«, entfuhr es ihr unwillkürlich.

    Erst als sie im Pick-up durch die winterliche Dämmerung von Nate Romanowskis Haus zurückkehrten, merkte Sheridan, wie kalt ihr war. Ihre Zähne klapperten, während sie wartete, dass die Heizung zu wärmen begann. Die Raubvögel hatten sie Kälte und Uhrzeit vergessen lassen.
    Sie wies ihren Vater darauf hin, dass sein Handy am Armaturenbrett ausgeschaltet war.
    »Mist, das hab ich ja ganz vergessen«, sagte er und schaltete es ein. Ihr Dad fluchte nur selten.
    Es klingelte fast sofort, und er langte rasch danach. Sie beobachtete ihn. Seine Miene schien sich beim Zuhören erst zu verdüstern, dann zu verhärten.
    »Ich kann nicht fassen, dass sie das gesagt hat.«
    »Ist das Mom?«, fragte Sheridan, kannte aber schon die Antwort.
    »Ich bin in einer halben Stunde zu Hause, Schatz. Es tut mir so leid, dass das passiert ist. Und es tut mir leid, dass du mich nicht erreichen konntest.«
    Sheridan war besorgt. Er sprach leise, ruhig und sehr ernst. Doch ihr war klar, dass er sich innerlich viel und schnell bewegte.

18
    Der nächste Morgen dämmerte grau und kalt, und im Radio hieß es, für Nordwyoming sei angesichts der Witterung eine Warnung an die Rancher ausgegeben worden. Für den ersten Schultag im neuen Jahr waren die Mädchen in Sachen gekleidet, die sie zu Weihnachten bekommen hatten. Weil sie sich während der Ferien angewöhnt hatten, länger zu schlafen, mussten Joe und Marybeth sie mächtig antreiben, damit sie mit dem Frühstück fertig wurden und winterlich eingemummt waren, ehe der Bus kam.
    »Weihnachten ist vorbei, meine Damen«, sagte Joe. »Nun geht es wieder an die Arbeit.«
    Marybeth war still, ihre Augen wirkten müde. Den Großteil der Nacht hatte sie wegen des Treffens mit Jeannie Keeley geweint. Joe hatte sie im Arm gehalten und ihre Wut und Enttäuschung geteilt. Beiden war quälend bewusst, dass dies für eine Weile das letzte »normale« Frühstück mit den Mädchen sein mochte. Da beide entschlossen waren, es reibungslos über die Bühne zu bringen, hatten sie April, Sheridan und Lucy gegenüber nicht das Geringste von Marybeths Begegnung mit Jeannie Keeley verlauten lassen. April schien dennoch etwas zu spüren und war äußerst wachsam. Das ganze Frühstück über schoss ihr Blick verstohlen zwischen Joe und Marybeth hin und her, als wollte sie einen Hinweis aufschnappen oder etwas aus ihren Blicken lesen. Wie Maxine stets zu wissen schien, wann Joe Saddlestring verlassen würde, so schien April zu spüren, dass etwas im Busch war. Sheridan und Lucy rieben sich nur den Schlaf aus den Augen und bekamen von dem Drama nichts mit.
    Nachdem sie ihre Jacken und Rucksäcke zusammengesucht
hatten, brachte Joe die Mädchen nach draußen zum Bus. Als die Fahrzeugtüren aufgingen, drehte April sich um, schlang Joe die Arme um den Hals und küsste ihn zum Abschied. So offen hatte sie ihm noch nie ihre Zuneigung bekundet. Als er ins Haus zurückkehrte, war es offensichtlich, dass Marybeth die Szene vom Fenster aus beobachtet hatte. Wieder wischte sie sich Tränen aus den Augen.
    Ehe sie darüber reden konnten, klingelte das Telefon. Marybeth hob ab, und Joe sah ihre Miene beim Zuhören zu einer elfenbeinernen Maske erstarren.
    »Wer ist dran?«, fragte er lautlos.
    »Robey Hersig«, antwortete Marybeth schrill. Joe hörte den Bezirksstaatsanwalt nicht, konnte Marybeths Reaktion aber entnehmen, was er sagte.
    »Robey, ich danke Ihnen, dass Sie uns das haben wissen lassen«, sagte sie schließlich und legte auf. Sie sah zu Joe hoch, und ihr Blick war matt und abwesend. »Jeannie Keeley hat einen Richter unten in Kemmerer davon überzeugt, dass April zu ihr zurückzukehren hat. Der Richter hat letzte Woche die Verfügung ausgestellt, und Robey hat gerade eine Kopie davon bekommen. Er faxt sie uns gleich.«
    Kemmerer war eine kleine Stadt im Südwesten Wyomings. Joe war verblüfft. Warum Kemmerer?
    »Robey sagt, der Richter dort sei unberechenbar, ein Wahnsinniger«, fuhr Marybeth fort. Sie wirkte geradezu unheimlich nüchtern. »Er meint, die Verfügung könne womöglich vor Gericht gekippt werden, doch bis dahin müssen wir April hergeben, falls Jeannie das will.«
    Er stand reglos da und starrte

Weitere Kostenlose Bücher