Blutsdaemmerung - Licht Und Schatten
hätte sie jetzt gerne an meiner Seite gehabt. Nur damit sie mir sagen konnte, das schon alles Gut werden würde. So wie sie es mir auch schon in meiner Kindheit immer wieder gesagt hatte. Sie sagte es, wenn ich abends mal wieder weinend im Bett lag, weil meiner Mitschüler so grausam gewesen waren. Oder wie damals, als Dad plötzlich krank wurde. Sie war immer der Meinung, dass sich das Leben irgendwie zum Guten wenden würde, auch wenn es im ersten Moment gar nicht so schien.
Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und starrte auf die Tasten. Ich zögerte einen Moment, doch dann tippte ich in Windeseile ihre Nummer und lauschte dem Wählton. Es klingelte.
"Goldman?" Die vertraute Stimme meiner Mutter löste ein Gefühl der Geborgenheit in mir aus.
"Hallo Mom." schniefte ich mit belegter Stimme und kämpfte schon wieder mit den Tränen.
"Tamara? Was ist los?" Sie hörte natürlich sofort, dass etwas nicht stimmte.
"Ach nichts, es ist nur..." Ich wusste gar nicht genau, was ich ihr sagen wollte, doch ich brauchte gar nicht weiter zu reden, denn sie fand genau die passenden Worte.
"Fühlst du dich allein unter den eineinhalb Millionen Menschen in Manhattan?" Sie bemühte sich, ihre Stimme ironisch klingen zu lassen.
Wieder schniefte ich. "So in der Art, ja." gab ich zu, denn zum Teil hatte sie ja Recht.
"Hey, es ist nicht schlimm vor etwas neuem Angst zu haben. Und auch wenn du es in diesem Moment vielleicht noch nicht glaubst, aber oft führt so eine Veränderung in die richtige Richtung. Und hinterher ist man froh, den Schritt gewagt zu haben, weil man neue Begegnungen erfahren hat, die man nicht mehr missen möchte." Der sanfte, tröstende Klang ihrer Stimme streichelte die Wunden auf meiner Seele und plötzlich keimte die Hoffnung in mir, dass ich wirklich den richtigen Weg gegangen war. Ich wischte die Tränen von meinen Wangen und schloss die Augen. "Danke Mom." flüsterte ich.
"Dafür bin ich da. Machs gut und lass von dir hören." erwiderte sie, dann klickte es in der Leitung.
Ich saß noch lange einfach regungslos auf dem Boden, den Rücken an die Wohnungstür gelehnt und dachte über die Worte meiner Mutter nach. Hin und wieder lief noch eine Träne meine Wange hinunter. Als ich der Meinung war genug geweint zu haben, rappelte ich mich auf, legte ich eine CD in die HiFi Anlage im Wohnzimmer ein und drehte die Musik voll auf. Dann begann ich die Kisten mit meiner Kleidung zu öffnen und stellte zu meinem Entzücken fest, dass ein begehbarer Kleiderschrank an mein Schlafzimmer angrenzte. Ich lief mit nackten Füssen über den hellen Hochflorteppich. Ich konnte jeden einzelnen Faden spüren und doch war er so weich, als liefe man auf einer Wolke. Zumindest war ich der Meinung, dass es sich so anfühlen musste, auf einer Wolke zu laufen.
Das Ankleidezimmer war fast so groß, wie mein altes Zimmer in Max´ Haus. Genug Platz also um meine Garderobe noch zu erweitern.
Die Einrichtung erinnerte mich ein bisschen an Julians Wohnung. Sehr modern und geradlinig. Ohne jeden Kitsch. Ich würde allerdings noch ein paar Bilder für die nackten Wände besorgen. Ich tänzelte durch die Wohnung und schaffte es dank meiner Schnelligkeit, die gesamten Kisten innerhalb einer halben Stunde auszuräumen und meinen Kram zu verstauen.
Dann trat ich auf die Terrasse und blickte hinunter, auf das geschäftige Treiben dieser großen Stadt. An den Lärm würde ich mich erst gewöhnen müssen, mein feines Gehör war damit noch etwas überfordert. Ich beschloss noch ein Bad in meiner großen Badewanne, direkt vor der Glasfront mit Blick auf den Hudson River zu nehmen bevor ich Benjamin und Andrew besuchte. Als das Wasser eingelaufen war, warf meine Kleider auf den Marmorboden und stieg in die Wanne.
Ich griff nach der Fernbedienung für den Fernseher, der über der Badewanne in die Wand eingelassen war.
Als ich mich durch die Programme zappte, blieb ich bei den Abendnachrichten hängen. Die Reporterin berichtete, dass die Blutbank eines New Yorker Krankenhauses geplündert wurde. Es fanden sich jedoch keine Hinweise auf den Täter. Anscheinend hatte der- oder diejenige nicht die kleinste Spur hinterlassen. Ich bekam sofort eine Ahnung, dass nur ein Vampir dafür in Frage kam. Wer sonst sollte Blutkonserven aus einer Blutbank stehlen?
Kümmerten sich Benjamin und Andrew um den Fall?
Ich hatte plötzlich den Drang das herauszufinden und stieg aus der Wanne. Schnell trocknete ich mich ab und zog mich an. Ich lief zum Fahrstuhl und fuhr
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