Blutspur in East End
Kopf bis Fuß eine typische Tussi. Ihre Haut war sonnenstudiogebräunt, ihr Haar blondiert. Carol fragte sich, wie sie mit solchen langen Fingernägeln überhaupt arbeiten konnte. Unter dem Uniformkittel des Elektronikmarktes trug sie offenbar ein Minikleid.
Valentine klimperte mit den langen Wimpern, als sie Brent und Carol erblickte. „Ah, der Oberlangweiler! Ist das deine neue Freundin? Die passt super zu dir, die ist bestimmt genauso spießig wie du.“
Brent ging gar nicht auf ihre giftigen Sprüche ein, sondern kam ohne Umschweife auf den Grund ihres Besuches. „Hallo Valentine. Wir wollen dich nicht lange stören. Das ist Carol. Sie möchte nur von dir erfahren, wann und wo wir uns getroffen haben.“
Valentine lachte affektiert und wandte sich dann Carol zu. „Na, so was! Bist du etwa eifersüchtig, Kleine? Dein blöder Traumprinz Brent war am Dienstag mit mir im West End Pizza essen. Das ging ungefähr von acht bis zehn, und es waren die langweiligsten zwei Stunden meines Lebens. Aber du kannst diese Schnarchnase gerne für dich allein behalten, ich will garantiert nichts von ihm.“
Am Dienstag war Tricia ermordet worden, Brent hatte also die Wahrheit gesagt, wie Carol erleichtert feststellte. Sie fand Valentine völlig unsympathisch, aber sie glaubte ihr. Warum hätte die gestylte Verkäuferin lügen sollen?
Carol und Brent verließen den Elektronikmarkt so schnell wie möglich.
„Die Rechnung von der Pizzeria habe ich auch noch irgendwo herumliegen“, meinte er. „Darauf müssten sogar Datum und Uhrzeit ausgedruckt sein.“
„Jetzt muss ich mich wohl bei dir entschuldigen. Es tut mir leid, Brent. Ich glaube jetzt nicht mehr, dass du Tricias Mörder bist.“
„Entschuldigung angenommen“, erwiderte er lächelnd.
„Super. – Und, äh, da war doch noch etwas, das du mir mitteilen wolltest“, erinnerte sie ihn.
„Ja, genau. Es ist eine Sache, die mich selbst völlig überrascht hat.“
„Nämlich?“, fragte sie neugierig.
„Ich habe mich in dich verliebt.“
6. KAPITEL
Mit allem hätte Carol gerechnet, aber nicht mit einem solchen Geständnis. Ihre Gefühle waren in Aufruhr. Natürlich war sie geschmeichelt, denn Brent sah gut aus. Und er war gewiss kein Langweiler, obwohl diese aufgetakelte Valentine ihn dafür hielt. Aber andererseits war Carol momentan nicht in Flirtlaune, denn der Schmerz über Tricias Tod saß noch zu tief. Und vor allem konnte sie nicht glauben, dass Brent sich in so kurzer Zeit ernsthaft in sie verliebt hatte.
Brent schien ihre Gedanken gelesen zu haben. „Das kommt für dich wahrscheinlich sehr überraschend“, meinte er verständnisvoll.
„Allerdings! Verliebst du dich immer in Frauen, die dich mit einem Kerzenhalter niederschlagen?“
„So oft ist das noch nicht passiert. Eigentlich war es heute das erste Mal. Aber so läuft es immer bei mir. Wenn ich eine Frau sehe, dann gefällt sie mir auf den ersten Blick – oder auch nicht. Erst später zeigt sich dann, ob tiefere Gefühle entstehen.“
„Und was ist mit Valentine? Ganz ehrlich, Brent – du und diese Tussi? Das geht ja gar nicht!“
„Ich weiß. Jetzt ist mir das auch klar. Aber als ich Valentine zuerst sah, mochte ich sie sofort und habe sie zum Essen eingeladen. Na ja, du hast sie ja selbst erlebt. Aus uns beiden wäre nie ein Paar geworden.“ Brent schwieg einen kurzen Moment. „Kann es übrigens sein, dass du eifersüchtig bist?“, fragte er direkt.
„Eifersüchtig, ich? Bilde dir bloß nichts ein“, giftete Carol.
Doch insgeheim war sie erleichtert darüber, wie abweisend Valentine zu Brent gewesen war. Viele Männer standen auf solche übertrieben aufgebrezelten Frauen. Aber Brent? Nein, zu dem passte Valentine doch überhaupt nicht.
Aber wer passte dann zu ihm?
Als Carol über diese Frage nachgrübelte, zog sie innerlich die Notbremse. „Hör mal, Brent – das geht mir alles viel zu schnell. Momentan fühle ich mich schlecht. Ich wollte hier in London einen neuen Lebensabschnitt beginnen, und nun ist meine beste Freundin tot, und ich muss …“
„Pssst.“ Brent legte seinen Zeigefinger an ihre Lippen.
„Ich wollte dir gegenüber nur ehrlich sein. Wir wissen kaum etwas voneinander. Aber ich würde dich sehr gerne näher kennenlernen. Und ich will dir auch dabei helfen, den Mörder deiner Freundin zu finden. Denn das willst du doch nach wie vor, oder?“
Carol nickte heftig. „Auf jeden Fall.“
„Ich studiere Journalismus und kenne mich in London inzwischen
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