Blutspur in East End
erreichen. Es war nicht so clever, dem Verdächtigen allein gegenüberzutreten. Aber sie konnte nicht länger warten. Außerdem war Eves Handy immer noch ausgeschaltet.
Brent lebte in einem schäbigen Haus in einer Seitenstraße. Die Klingelschilder waren unleserlich oder mit Graffiti übersprüht. Carol fragte eine korpulente dunkelhäutige Frau im Erdgeschoss nach Brent.
„Der wohnt im ersten Stock, Schätzchen“, antwortete sie.
Carol bedankte sich und stieg die Treppe hinauf. Es roch nach exotischen Gewürzen. Carol glaubte, dass irgendjemand im Haus mit Bongos üben würde. Aber dann wurde ihr bewusst, dass das Geräusch von ihrem eigenen beschleunigten Herzschlag stammte. Wenn sie Brent nun nicht antraf? Schließlich waren Semesterferien. Aber das hieß noch lange nicht, dass ein Student tagsüber zu Hause hocken musste. London bot unendlich viele Möglichkeiten, etwas Spannendes zu erleben. Wenn Brent sie angreifen würde? Oder wenn er inzwischen geflohen war?
Wenn, wenn, wenn – Carols Hand zitterte, bevor sie an seine Tür klopfte. Aber als ihre Fingerknöchel das lackierte Holz berührten, war sie plötzlich ganz ruhig. Von drinnen ertönte leise Popmusik aus dem Radio. Dann wurde die Tür geöffnet.
Brent war schlank und ungefähr einen Kopf größer als Carol. Er trug eine verwaschene Jeans und ein dunkles T-Shirt, das seine sehnigen Arme betonte. Er war kein Muskelmann, aber auch kein Schwächling. Genau richtig sozusagen. Er blickte Carol mit seinen dunklen Augen direkt an.
„Hallo. Kennen wir uns?“, fragte er.
Brents Stimme hatte einen angenehmen Klang. Aber Carol ließ sich davon nicht blenden.
„Ja, vom Studium“, log sie. „Kann ich dich mal sprechen, Brent?“
Er zuckte mit den Schultern. „Sicher, komm rein. Aber mein Gedächtnis ist wirklich nicht das Beste. Ich könnte schwören, dich noch nie gesehen zu haben.“ Plötzlich lächelte er, was ziemlich süß aussah. „Ich würde mich bestimmt an dich erinnern.“
„Ach ja?“, antwortete Carol einsilbig.
Sobald sie die Tür von innen geschlossen hatte, flammte ihr Hass wieder auf. Sie war innerlich zerrissen. Einerseits war ihr dieser Brent auf Anhieb sympathisch, andererseits hatte er vermutlich Tricia ermordet.
Brents Apartment war winzig. Es bestand nur aus einem Zimmer, einer Nasszelle und einer kleinen Küchenzeile an der Schmalseite des Raums gegenüber dem Fenster. Doch es war geschmackvoll eingerichtet. Er schaltete das Radio aus, bevor er Carol fragend anschaute. Sein Blick machte Carol nervös. Flirtete er mit jeder Frau sofort so hemmungslos? Brent gab ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Aber sie durfte sich von seinem Charme nicht blenden lassen, denn er war vermutlich ein skrupelloser Mörder, der ihre Freundin auf dem Gewissen hatte.
„Du hast mir deinen Namen noch gar nicht verraten“, meinte er.
„Ich bin Carol. Hättest du etwas zu trinken für mich? Dann redet es sich besser.“
„Klar, allerdings habe ich nur Wasser und Cola.“
„Ein Wasser wäre super.“
Carol stand mitten im Zimmer und wartete ab. Sie rechnete damit, dass Brent sich jeden Moment auf sie stürzen würde. Doch er drehte sich nur zu seiner Mini-Küche um und öffnete den Kühlschrank.
In diesem Moment entdeckte Carol das Messer.
Es war ein ganz normales zum Brotschneiden und befand sich auf der Ablage über dem Kühlschrank. Als Brent sich bückte, sodass Carol nur noch seinen Rücken sehen konnte, verlor sie die Nerven. Gleich würde er mit dem Messer auf sie einstechen. Sie musste ihm zuvorkommen. Links neben dem Herd stand ein eiserner Kerzenhalter auf einer Anrichte. Carol packte den Kerzenhalter, holte damit aus und schlug ihn Brent über den Hinterkopf!
Er gab einen erstickten Laut von sich und sackte vor dem offenen Kühlschrank zusammen. Doch in seiner Hand war nicht das Brotmesser, sondern die Mineralwasserflasche!
Carol war über ihre Kurzschlussreaktion völlig schockiert. Brent hatte ihr wirklich nur ein Glas Wasser anbieten wollen. Ob sie ihn ernsthaft verletzt hatte? Carol ließ den Kerzenhalter fallen und umfasste seinen Oberkörper. Sie legte ihre rechte Hand auf seine Wange und drehte vorsichtig seinen Kopf. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaute er sie an. Erleichtert stellte Carol fest, dass er nicht bewusstlos war.
„Spinnst du, Carol? Was habe ich dir denn getan?“, murmelte er.
„Es tut mir leid, Brent. Es kam plötzlich über mich, ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle.“
„Das habe
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