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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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denn?«
    »Das weiß ich leider nicht. Aber ich habe ein Foto von ihr.«
    Er griff in seine Jackentasche und zeigte ihr das Foto des blonden
Mädchens, das Gerlof in einer der Babylon -Ausgaben entdeckt hatte. Er hatte den Kopf aus
der Zeitschrift ausgeschnitten und ihn auf ein weißes Stück Papier geklebt.
    »Ich habe ein altes Häuschen auf Öland geerbt«, erzählte er, »und
dieses Foto lag in einer Schublade, zusammen mit einem Tagebuch und noch
anderen Unterlagen. Ich würde sie gerne finden und es ihr wiedergeben.«
    Er beobachtete die Frau, ob seine Lügengeschichte Erfolg hatte.
Ausgiebig betrachtete sie das Foto und fragte dann:
    »Wie haben Sie denn herausbekommen, dass sie auf diese Schule hier
gegangen ist?«
    Lüg so wenig wie
möglich , ermahnte sich Per.
    »Nun ja, das weiß ich, weil ... weil es noch andere Fotos gab, auf
denen sie den Pullover der Schuluniform trug.«
    Das Letzte war die Wahrheit, denn Gerlof hatte tatsächlich im
Hintergrund eines der Pornofotos den Pullover entdeckt, der über einem Stuhl
hing. Der war offensichtlich bei den Aufnahmen übersehen worden. Er hatte die
Aufschrift KRONANSKOLAN 1983 – 1984 , einer der
wenigen Hinweise darauf, dass Jerrys Mädchen mitnichten Phantasiegeschöpfe
waren.
    »In Ordnung«, sagte die junge Frau, »Sie sollten wohl eher mit einem
unserer Mathematiklehrer sprechen, Karl Harju. Er ist seit den Siebzigern auf
dieser Schule.«
    Sie stand auf und führte Per durch die noch immer leeren Flure bis
zur geschlossenen Tür eines Klassenzimmers.
    »Sie können hier so lange warten. Es ist gleich Pause.«
    Per musste sich nur fünf Minuten gedulden, dann sprang die Tür auf,
und eine wilde Horde von Gymnasialschülern stürmte aus dem Zimmer, lachend und
kreischend, und verschwand den Gang hinunter. Er sah ihnen hinterher und
stellte fest, dass seine Kinder in wenigen Jahren in demselben Alter sein würden.
    Seine beiden Kinder.
    Im Klassenzimmer stand ein älterer Mann in einer grünen Strickjacke.
Mit ruhigen Bewegungen wischte er Gleichungen von der Tafel.
    »Herr Karl Harju?«
    »Ja, das bin ich«, sagte der Mann mit einem finnlandschwedischen
Akzent.
    »Wunderbar, ich wollte Sie gerne bei einer Angelegenheit um Hilfe
bitten ...«
    Per ging auf ihn zu und präsentierte ein weiteres Mal die Mischung
aus Lüge und Wahrheit. Am Ende hielt er das ausgeschnittene Foto hoch.
    »Erkennen Sie das Mädchen wieder?«, fragte er.
    Der Lehrer betrachtete das Bild lange und eingehend mit gerunzelter
Stirn. Dann nickte er.
    »Sie hieß Lisa, glaube ich«, sagte er. »Warten Sie mal eben hier.«
    Dann verschwand er aus dem Klassenzimmer und war etwa zehn Minuten
später mit einem Ordner unter dem Arm zurück.
    »Wir hatten damals ja noch keine Computer für die Archivierung«,
erläuterte er. »Eigentlich sollten wir alles nachtragen, aber ...«
    Er schlug den Ordner auf und holte ein Papier heraus. Per erkannte,
dass es eine alte Klassenliste war.
    »Stimmt, sie hieß tatsächlich Lisa«, nickte der Lehrer. »Lisa
Wegner, sie war ein bisschen still, aber angenehm und nett, das kann man schon
auf dem Foto erkennen. In der Klasse gab es eine richtige Mädchenbande, Lisa
und Petra Blomberg, Ulrica Ternman und Madeleine Frick.«
    Per sah, dass hinter den Namen Adressen und Telefonnummern standen,
aber die waren selbstverständlich auch fünfzehn Jahre alt.
    »Kann ich mir die Daten abschreiben?«
    »Sie können die Liste im Lehrerzimmer kopieren!«, schlug Herr Harju
vor.
    Nachdem er die Kopie gezogen hatte, reichte Herr Harju sie Per und
fragte:
    »Was ist eigentlich aus Lisa geworden, wissen Sie das zufällig?
Dieses Foto scheint ja aus einer Zeitschrift ausgeschnitten worden zu sein.«
    »Ja, es stammt wohl aus einer Zeitschrift«, sagte Per. »Sie war
vermutlich für eine kurze Zeit ein Fotomodell.«
    »Da sieh mal einer an!«, der Lehrer lächelte. »Als Pauker ist man
doch auch immer neugierig, was aus den Schützlingen geworden ist.«
    Per kehrte ins Sekretariat zurück und bat darum, einen Blick ins
örtliche Telefonbuch werfen zu können.
    Nur eines der Mädchen aus der Kronan-Bande schien noch im Landkreis
Kalmar zu leben, Ulrica Ternman. Die Adresse war eine Straße in Randhult, ein
Ort im Süden der Stadt.
    Er notierte sich Anschrift und Telefonnummer, setzte sich in seinen
Wagen und wählte die Nummer von seinem Handy aus:
    »Hallo«, sagte eine männliche Stimme, »dies ist der Anrufbeantworter
von Ulf, Hugo, Hanna und Ulrica. Wir sind momentan nicht

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