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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Trotzdem lehnte er
sich vor.
    Die Fotos zeigten, wie so viele andere, Sexszenen zwischen einem
großen Mann und einer jungen, blonden Frau – diese Art von Aufnahmen hatte
Jerry jahrelang in jeder Ausgabe veröffentlicht.
    Das weibliche Modell lag unter dem Mann, aber das Mädchen hatte sein
Gesicht in die Kamera gedreht. Sie sah nicht den Mann an, überhaupt schien das
Paar bemüht zu sein, sich so wenig wie möglich zu berühren. Liebe und
Zärtlichkeit waren noch nicht einmal angedeutet.
    »Markus Lukas«, wiederholte Jerry und tippte mit dem Finger auf den
männlichen Körper.
    »Okay ... Markus Lukas. So hieß also das männliche Modell?«
    Jerry nickte.
    Per sah den nackten Rücken eines muskulösen und breitschultrigen,
etwa dreißig- bis vierzigjährigen Mannes. Er hatte dichtes, schwarzes, lockiges
Haar – das konnte man auf einem einzigen Foto erkennen, auf dem auch sein
Hinterkopf zu sehen war. Ansonsten war er nur von der Taille abwärts abgelichtet.
    Per musste an den Mann denken, der den Cadillac an jenem schönen
Frühlingstag gefahren hatten, als er mit Regina auf dem Rücksitz saß. Jerry
hatte ihn doch auch »Markus Lukas« genannt. War es der Gleiche wie auf den
Bildern? Vielleicht.
    »Man kann sein Gesicht ja gar nicht erkennen«, sagte Per.
    Jerry nickte, tippte aber erneut auf das Foto. Er kämpfte mit seinen
steifen Lippen.
    »Ist ... ütend«, stotterte er.
    »Er ist wütend?«, fragte Per.
    Jerry nickte.
    »Wütend auf wen? Auf dich und Hans Bremer?«
    Jerry wandte den Kopf ab.
    »Betrogen«, gab er als Erläuterung.
    »Das überrascht mich nicht ... Bremer und du, habt ihr ihn um Geld
betrogen, oder was?«
    Jerry schüttelte den Kopf, schwieg aber.
    Per nahm die Zeitschrift an sich und blätterte sie flüchtig durch. Es
gab eine Fülle von Fotos mit den unterschiedlichsten Mädchen, auf jeder Seite,
Nahaufnahmen und ganze Szenen. Aber die Männer, mit denen sie Sex hatten, waren
ausnahmslos nicht zu erkennen. Die Kamera konzentrierte sich vollkommen auf die
Frauen, die Männer blieben anonym.
    »Gibt es keine einzige Aufnahme, wo das Gesicht von diesem Markus
Lukas zu sehen ist?«, fragte er erstaunt.
    Jerry verneinte.
    Per seufzte, aber eigentlich überraschte es ihn nicht sonderlich.
Das Gesicht der Männer war schließlich auch bedeutungslos – nur ein kleiner
Teil ihres Körpers war von Belang.
    »Was macht Markus Lukas denn heute? Weißt du, wo er lebt?«
    Jerry schüttelte erneut den Kopf.
    »Aber er ist nicht mehr in der Branche?«
    Jerry schwieg. Per glaubte zu wissen, warum – gewissermaßen hatte
auch Jerry sich aus der Branche zurückgezogen. Allerdings nicht freiwillig.
    »Und sein richtiger Name war natürlich auch nicht Markus Lukas,
stimmt’s? Den habt ihr euch ausgedacht, so wie auch die Namen der Mädchen alle
erfunden waren, oder?«
    Jerry nickte.
    »Wie heißt er denn richtig?«
    Der Blick seines Vaters war erschreckend leer.
    »Du weißt nicht mehr, wie Markus Lukas in Wirklichkeit hieß?«
    Jerry zuckte mit den Schultern.
    »Im Vertrag«, sagte er dann.
    »Okay, er hatte also einen Vertrag«, sagte Per. »Dann wird dort sein
bürgerlicher Name stehen.«
    Jerry nickte und zeigte aufs Wasser, in Richtung Festland.
    »Zu Hause.«
    »Sehr gut, du hast den Vertrag also zu Hause«, wiederholte Per.
    Er betrachtete die Fotos des nackten Mannes.
    »Wütend«, stammelte Jerry.
    Per ließ ein letztes Mal seinen Blick über die Bilder schweifen.
Etwa ein Jahr nach seiner Begegnung mit Regina hatte er begriffen, warum sein
Vater Frauen und Mädchen mit in den Wald nahm und sie fotografierte – dass er
diese Aufnahmen in einer Zeitschrift veröffentlichte, die Babylon hieß, und damit sein Geld
verdiente. Da war Per zu einem Kiosk ans andere Ende von Kalmar geradelt, um
eine Ausgabe zu kaufen.
    BABYLON stand in großen, dunkelroten Buchstaben auf der Titelseite, und darunter war
ein lachendes Mädchen zu sehen, das Regina ähnelte.
    Er stopfte sich die Zeitschrift unter den Pullover, radelte nach
Hause und versteckte sie unter seiner Matratze. Spät am Abend, als Anita
endlich zu Bett gegangen war, holte er das Heft hervor und blätterte es im Schein
seiner Taschenlampe durch.
    Er sah viele nackte Mädchen, seitenweise lachende Mädchen, deren
weiße Haut im Licht der Sonne oder der Studioscheinwerfer leuchtete. Alle waren
sie blond, bei einigen aber konnte man erkennen, dass sie eine Perücke trugen.
    Auf einem der Fotos entdeckte Per den dünnen Rauchschleier einer
Zigarre,

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