Blutsvermächtnis (German Edition)
auf den grünen Knopf drücken.“ Elia lächelte. „Ich ziehe mich zurück. Wir sehen uns später, schöne Frau.“ Er verbeugte sich galant und ließ sie mit dem Dienstmädchen allein.
Nachdem das Faxgerät mit einem Piepen den erfolgreichen Versand verkündet hatte, nahm Nevaeh das Blatt an sich, schob es zusammengefaltet in ihre Shorts und ließ sich von dem Mädchen in ein geräumiges Schlafzimmer führen. Wenige Schritte hinter der Tür blieb Nevaeh stehen. Die Pracht des Zimmers stand der des Speisesaals in nichts nach. Ein zartes Altrosa zeigte sich raumbeherrschend. Zwar trafen der altmodische Einrichtungsstil und die Farben nicht im Entferntesten ihrem Geschmack, die schweren Vorhänge vor den zugezogenen Fenstern setzten der übertriebenen Opulenz sogar noch eine Krone auf, doch pompös und beeindruckend war das Zimmer allemal, das musste sie zugeben. Sogar einladend und gemütlich. Einer Prinzessin gebührend. Wie Laub im seichten Herbstwind fiel mit einem Mal alle Beklemmung von ihr ab. Sie atmete tief durch. Eine Prinzessin – ja, genau so wollte sie sich in dieser Nacht fühlen. Aufatmen, Kraft tanken, Glück durch die Adern rieseln lassen, ehe sie sich erneut der Realität stellte. Nur in sein Bett bekam er sie nicht – egal, wie sehr es ihr zwischen den großen Zehen kribbelte. Sie grinste. Es entsprach nicht ihrer Art, mit einem Mann kurz nach ihrem Kennenlernen intim zu werden. Wie nah war sie in den vergangenen zwei Stunden genau daran um Haaresbreite vorbeigeschrappt? Was erwartete sie eigentlich von sich? Wie weit war sie bereit, zu gehen? Sie wusste keine Antwort. Ihr Verstand gab ihr klare Vorgaben, sofern sie dazu kam, ihn zu benutzen. In Elias Gegenwart war davon allerdings keineswegs mit Bestimmtheit auszugehen. Eher musste sie sich darauf einstellen, dass ihre Hormone überkochten. Ja, und was erhoffte sie sich nun?
Auf alle Fälle einen vergnüglichen Genuss, dessen Grenzen sie allein bestimmte. Informationen von ihrem Gastgeber zu erlangen, die ihr halfen, Wahrheiten herauszufinden, Verantwortliche dingfest zu machen und die Kerle bei den Eiern zu packen. Sie würde die Schmach auf keinen Fall auf ihrem Vater sitzen lassen. Und dann gab es noch eine kleine Rechnung in L. A. zu begleichen …
Ein leises „Mylady?“ schob sich in ihre Grübeleien, aber es erreichte sie nicht wirklich. Sie schaffte es einfach nicht, abzuschalten.
Jason konnte nicht ahnen, was sie mittlerweile wusste. Folglich gab es wohl keinen Grund, dass er Noah ausgerechnet heute an die Gurgel gehen würde. Konnte sie das wirklich bedenkenlos annehmen? Nahm sie die Probleme nicht wie immer zu leicht und versuchte, sich ihren Verpflichtungen wieder einmal durch Flucht zu entziehen? War ihre Entscheidung richtig und angemessen? Ihr Gesprächspartner im Ohr antwortete, dass man das ohnehin erst im Nachhinein wisse und da ihr nichts einfiel, was sie bis zum nächsten Morgen hätte bewegen können, gestattete sie, dass das Mädchen sie aus ihrer Gedankenwelt riss.
„Sir Spops bat mich, Euch diesen Brief zu überreichen.“ Die junge Frau sank in einem Hofknicks vor ihr nieder.
Gemischte Gefühle peitschten Nevaehs Inneres. Einerseits berührte es sie peinlich, in der modernen Welt eine derart unterwürfige Geste zuzulassen, andererseits regte sich ein nicht zu unterdrückender Funke geschmeichelten Egos, der die Verneigung mit einem berauschenden Sog verschlang und die Glut des Gefallens anfachte. Plötzlich fand sie Geschmack an ihrer Rolle.
Sie nickte der Bediensteten zu und schenkte ihr ein Lächeln. Hastiger, als sie beabsichtigt hatte, brach sie das altmodische Wachssiegel des Umschlags. Feinstes Büttenpapier schmiegte sich in hauchzarter Weichheit an ihre Fingerspitzen, und als sie den Bogen entfaltete, breitete sich die betörende Nuance eines männlichen Parfüms aus, das sich wie eine Membran um ihren Körper zu schmiegen schien. Sie fühlte sich eingehüllt und gefangen genommen – von einem Duft. Nevaeh schüttelte den Kopf, als ihr zu Bewusstsein drang, wie sie erneut den klebrigen Fäden Elias’ Ausstrahlung sogar in seiner Abwesenheit zu erliegen drohte.
Werte Dame!
Ein ganz und gar undamenhaftes Glucksen entfuhr Nevaeh. Sie legte den Zeigefinger an die Unterlippe.
Bitte erlaubt mir, Euch heute Nacht die Facetten der Ehrerbietung, der Hingabe und Wertschätzung auf meine bevorzugte Weise darzutun und mir die Gelegenheit einzuräumen, Euch in meiner wahren Gestalt und meinem unverfälschten Ich
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