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Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Giuttari
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Dschungel geraten, als befände er sich mitten im Amazonas-Regenwald. Er versuchte, die Hindernisse zu umgehen und sich vom Bach fernzuhalten, doch kurz darauf traf er auf einen neuen Sturzbach und einen neuen Wasserfall, noch breiter undwilder als der vorhergehende. Er wurde mit den gleichen Schwierigkeiten wie zuvor konfrontiert. Also wechselte er die Richtung. Doch vergebens: Wohin er auch kam, überall schien es gleich auszusehen. Nirgends ein Bezugspunkt, der ihm helfen konnte, sich zu orientieren. Inzwischen hatte es angefangen zu regnen. Er fand so etwas wie eine Grotte. Sie war klein, aber ausreichend, um ihm Schutz zu gewähren. Er kroch hinein und warf sich auf den Boden. Wie ein totes Gewicht.

Freitag, 14. November, New York
    Lieutenant Reynolds wurde vom Klingeln des Telefons auf seinem Nachttisch geweckt.
    Beim sechsten Klingeln nahm er ab. Der Hörer entglitt ihm und fiel beinahe herunter, doch er fing ihn noch rechtzeitig auf.
    Am anderen Ende hörte er die Stimme von Rusty Sheridan.
    »John, sie haben mir meine Kampfsportschule niedergebrannt.«
    Das war alles, was der Freund mit von Kummer erstickter Stimme flüstern konnte.
    Reynolds wusste nicht, was er sagen sollte.
    Sein Atem ging stoßweise.
    Er sah auf die Digitalanzeige seines Weckers. Es war 1.53 Uhr.
    »Ich komme«, antwortete er schließlich.
    Doch das sagte er nur zu sich selbst.
    Sein Freund war nicht mehr in der Leitung, und er hatte noch nicht einmal das leise Klick des Auflegens gehört.
    »Nicht einmal um diese Zeit lässt man dich in Ruhe«, sagte Linda schläfrig. »Dass das deine letzte Ermittlung ist, glaube ich erst, wenn es so weit ist«, seufzte sie, während sie die Decke über den Kopf zog und sich auf die andere Seite drehte. Er erwiderte nichts darauf. Tat, als hätte er sie nicht gehört. Schüttelte nur den Kopf und stand auf. Knapp zehn Minuten später saß er bereits im Auto.

    Es war schon Tag, als Diego die Augen aufschlug.
    Es regnete nicht mehr. Ein schwacher Lichtschimmer breitete sich in der kleinen Grotte aus.
    Verwirrt fragte er sich, wo zum Teufel er war.
    Es dauerte einige Augenblicke, bis es ihm einfiel. Ihm wurde klar, dass er geschlafen hatte, vielleicht sogar lange.
    Er tastete seinen Körper ab. Jeder Knochen tat ihm weh. Auf dem Bauch kriechend, steckte er den Kopf hinaus. Die Sonnenstrahlen, die durch das Geäst der Bäume fielen, beschienen seine von Erdreich und Schlamm verfilzten Haare. Er sah nichts als Wald. Doch jetzt bei Tag kam er ihm nicht mehr so bedrohlich vor.
    Er fasste neuen Mut und verließ die Grotte. Kurzatmig kämpfte er sich den Berghang entlang. Er bewegte sich jetzt geschickter: Seine Schritte waren sicherer, sein Griff um die Stämme oder Äste fester.
    Bald erkannte er Schluchten, Abgründe, Brombeersträucher, Bäume mit dichtem Unterholz dazwischen und ringsherum eine Bergkette, die entschlossen schien, ihn gefangen zu halten. Es gab offenbar nirgends Felder in der ganzen Umgebung, nur unberührte Natur. Er bekam es wieder mit der Angst zu tun. Das Tageslicht brachteihm voll zu Bewusstsein, an welchen Ort man ihn geführt hatte: in ein natürliches Gefängnis. Er irrte lange herum, bis er schließlich einen Weg fand.
    Er folgte ihm und kam zu einem Holzsteg über einem Bach. Wahrscheinlich derselbe Wildbach, in den er in der Nacht gefallen war.
    Der Steg schwankte bedenklich. Er musste mehrmals stehen bleiben, um nicht die Balance zu verlieren. Endlich erreichte er das andere Ufer, wo ihn eine böse Überraschung erwartete. Ein kleiner, aber kräftiger Mann mit einer Kapuze über dem Kopf versperrte ihm den Weg. In der rechten Hand hielt er eine Pistole. Als Diego ihn sah, hämmerte sein Herz so stark in seiner Brust, als wollte es sie sprengen. Er verharrte reglos und bemühte sich, langsam zu atmen.
    »Versuch nicht zu fliehen, sonst bist du ein toter Mann!«, rief der Bewaffnete.
    »Nicht schießen!«, antwortete Diego mit schwacher Stimme und trockener Kehle und hob die Hände über den Kopf. Es klang beinahe wie ein Flehen.
    »Bravo, du hast’s kapiert. Wolltest wohl den Helden spielen, was? Noch bist du uns lebend nützlicher. Los, beweg dich, du Stück Scheiße!«, schrie der Vermummte ihn an, trat auf ihn zu und bohrte ihm die Pistole in die Brust. »Dreh dich um und lauf!«
    Schweigend gehorchte er. Totenblass und mit unsicheren Schritten ging er auf dem Weg zurück. Noch nie in seinem Leben hatte er sich in so ernster Gefahr befunden. Sein ganzes weltmännisches

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