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Bluttat

Bluttat

Titel: Bluttat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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klein, sehr schlank und trug eine Brille mit schwarzem Rahmen, die zu breit für sein schmales Gesicht war. Er trug ein braunes Sportjackett mit Fischgrätenmuster, eine etwas hellere Hose, ein weißes Hemd und hellbraune Halbschuhe. Seine knallblaue Krawatte stach hervor wie ein Spinnaker.
    Als seine Augen meine fanden, winkte ich ihm zu. Er kam zu mir, schüttelte mir die Hand und setzte sich.
    Die Haare waren kürzer und spärlicher als auf dem offiziellen Foto. Seine glatte Stirn war von parallelen Falten durchzogen. Ich schätzte ihn auf um die siebzig. Er passte gut zu den übrigen Gästen.
    »Vielen Dank, dass Sie einem Treffen zugestimmt haben, Dr. Wascomb.«
    »Das war doch selbstverständlich«, sagte er. »Haben Sie vorgefasste Meinungen evangelikalen Christen gegenüber, Dr. Delaware?«
    »Ich beurteile Menschen nach ihrem Verhalten, nicht nach ihrem Glauben.«
    »Gut für Sie.« Seine Augen bewegten sich nicht. Sie waren blauer als auf dem Foto. Vielleicht hatten sie etwas von der Intensität der Krawatte absorbiert. »Ich nehme an, Sie haben sich über Baylord Patterson informiert.«
    »Habe ich.«
    »Ich werde keine Entschuldigungen vorbringen, aber ich will versuchen, es zu erklären. Baylords Vater war ein großartiger Mann, er war es, der uns den Anfang ermöglicht hat. Das war vor zweiunddreißig Jahren. Ich bin von Oklahoma City hierher gekommen und habe in der Ölversorgungsindustrie gearbeitet, bevor ich mit dem Studium begann. Ich wollte etwas Bleibendes schaffen. Gifford Patterman war das Ausnahmeexemplar eines wohlhabenden Mannes mit einem warmen, offenen Herzen. Ich war so naiv anzunehmen, dass das auch auf seinen Sohn zutrifft.«
    Heather kam mit dem Block in der Hand zu uns an den Tisch.
    Wascomb sagte: »Ich bin lange nicht mehr hier gewesen. Sind die Pfannkuchen immer noch so gut?«
    »Sie sind spitzenmäßig, Sir.«
    »Dann möchte ich die bestellen.«
    »Eine ganze Portion oder eine halbe?«
    »Eine ganze Portion, Butter, Sirup, Gelee, mit allem Drum und Dran.« Wascomb entblößte ein cremefarbenes Gebiss. »Es geht nichts über ein Frühstück am Nachmittag, wenn man möchte, dass der Tag jung aussieht.«
    »Etwas zu trinken, Sir?«
    »Heißen Tee - Kamille, wenn Sie welchen haben.«
    »Und Sie, Sir?«
    »Ich probiere auch mal die Pfannkuchen.«
    »Eine gute Wahl«, sagte Heather. »Sie werden es nicht bereuen.«
    Wascomb sah ihr nicht hinterher. Seine Augen waren auf die Serviette gerichtet.
    »Baylord Patterman hat Sie in Verruf gebracht«, sagte ich.
    »Er hat Fulton in Verruf gebracht. Die polizeiliche Untersuchung seiner Umtriebe hat uns in Mitleidenschaft gezogen, weil wir der größte Nutznießer seines schnöden Mammons waren. Sie können sich vorstellen, wie einige unserer anderen namhaften Spender reagiert haben.«
    »Sie sind zum Ausgang gerannt.«
    »So schnell sie konnten«, sagte Wascomb. »Das hat wehgetan. Wir sind eine kleine Hochschule und arbeiten mit einem sehr knappen Budget. Ich nenne uns das Seminar, das aus weniger mehr macht. Der einzige Grund für unser Überleben besteht darin, dass uns das Land gehört, auf dem das Seminargebäude steht, und dass die Unterhaltskosten gerade durch das Testament einer guten Christin gedeckt sind. Baylord Pattermans Großmutter.«
    Sein Tee kam. Er presste die Hände zusammen, beugte sein Haupt und sprach ein stilles Tischgebet, bevor er einen Schluck nahm.
    »Tut mir leid, dass Sie Probleme haben«, sagte ich.
    »Danke. Wir halten uns über Wasser. Das ist der Grund, warum ich mich lieber hier mit Ihnen getroffen habe als im Seminar. Ich kann mir einfach nicht noch mehr schlechte Publicity leisten.«
    »Ich habe nicht die Absicht, Ihnen welche zu verschaffen.«
    Er musterte mich über seinen Becher Tee hinweg. »Danke. Ich will offen zu Ihnen sein, weil ich ein offener Mensch bin. Und heutzutage kann man ohnehin kaum noch etwas geheim halten. Nicht im Computerzeitalter. Aber das heißt nicht, dass ich rückhaltlos über eine frühere Studentin ohne die Erlaubnis dieser Studentin sprechen kann. Nicht ohne guten Grund.« Mit dem Becher in der Hand lehnte er sich in der Nische zurück.
    »Was wäre denn ein guter Grund?«, fragte ich.
    »Warum sagen Sie mir nicht, woran Sie interessiert sind?«
    »Ich unterliege selbst Beschränkungen bezüglich dessen, was ich sagen kann, Dr. Wascomb. Es gibt bestimmte Details, die die Polizei für sich behält.«
    »Also geht es um einen Mordfall?« Er lächelte angesichts meiner

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