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Bluttat

Bluttat

Titel: Bluttat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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wahrscheinlich Andrew - und Cherish Daney.« Ich buchstabierte den Nachnamen und bedankte mich bei ihr.
    »Cherish wie in dem Song?«
    »Ganz genau.«
    »Nur dass sie vielleicht das Geld zu sehr liebt?«
    »Das ist möglich.«
    »Gibt es noch etwas, das ich für dich tun kann?«
    »Wie viele Pflegekinder darf eine Familie zu sich nehmen?«
    »Sechs.«
    »Diese Leute haben acht.«
    »Dann sind sie unartig. Andererseits wird es kaum jemandem auffallen. Es gibt nicht viele Familien, die nach Ansicht des Staates akzeptabel sind, und sehr wenige Sozialarbeiter, die sich die Verhältnisse genauer ansehen. Wenn nichts Schreckliches passiert, passt niemand sonderlich auf.«
    »Wie sieht eine akzeptable Familie aus?«
    »Zwei Eltern aus der Mittelschicht wären großartig, aber nicht notwendig. Keine Vorstrafen. Am besten ist ein Elternteil berufstätig, aber es muss auch jemand zu Hause sein, der aufpasst.«
    »Die Daneys erfüllen die Bedingungen in jeder Hinsicht«, sagte ich. »Bezahlt der Staat, wenn man die Kinder zu Hause unterrichtet?«
    »Die gleiche Antwort: Es hängt davon ab, wie man die Formulare ausfüllt. Es gibt ein Kleidungsgeld, es gibt zusätzliches Kleidungsgeld, es gibt alle möglichen Zuschüsse zur Gesundheitsfürsorge, die angezapft werden können. Was ist los, Darling? Wieder eine von diesen Betrügereien?«
    »Es ist kompliziert, Olivia.«
    Sie seufzte. »Mit dir ist es immer kompliziert.«
    Am Fulton Seminary konnte man einen akademischen Grad erwerben, einen Magister der Theologie. Der Webseite des Seminars zufolge wurde im Lehrplan besonderer Wert auf »Aspekte der Bibellektüre, des Priestertums und des Diensts an der Allgemeinheit im Hinblick auf eine berufliche Ausbildung zum Prediger« gelegt. Den Studenten wurde gestattet, eine Reihe »intellektueller Schwerpunkte« zu setzen, zu denen christliche Führung, evangelikaler Einsatz und Programmüberwachung gehörten.
    Mehrere Absätze waren den philosophischen Grundlagen des Seminars gewidmet: Gott war vollkommen, der Glaube an Jesus war wichtiger als alle guten Taten, die Menschen waren verdorben, bis sie gerettet wurden, Andacht und Gottesdienst waren wesentliche Elemente, um eine Welt in Ordnung zu bringen, die eine Reparatur dringend nötig hatte.
    Das Seminargebäude lag auf 12.000 hügeligen Quadratmetern am Nordrand von Glendale. Eine Fahrt von fünfzehn Minuten bis zu dem Motel am Chevy Chase.
    Ich scrollte seitenweise durch Fotos. Kleine Gruppen gepflegter, lächelnder Studenten, wellige Rasenflächen, dasselbe Sechzigerjahre-Gebäude mit der Glasfassade in jeder Aufnahme. Keine Erwähnung eines Friedhofs auf dem Grundstück.
    Der Lehrkörper bestand aus sieben Priestern. Der Dekan war Reverend Crandall Wascomb, Dr. theol., Dr. phil., Dr. jur. Nach seinem Foto zu urteilen, war Crandall um die sechzig; er hatte ein schmales Gesicht unter einer hohen, glatten Stirn, silberweiße Haare, die oben auf seine Ohren fielen, und von zahlreichen Fältchen umgebene Augen mit genau dem gleichen Farbton wie sein taubenblaues Jackett.
    Ich rief seine Nebenstelle an. Eine Frauenstimme auf seinem Anrufbeantworter teilte mir mit, Dr. Wascomb sei nicht in seinem Büro, aber es läge ihm wirklich am Herzen, was ich zu sagen hätte. »Bitte hinterlassen Sie eine detaillierte Nachricht in beliebiger Länge und wiederholen Sie Ihren Namen und Ihre Telefonnummer mindestens einmal. Vielen Dank und Gottes Segen und einen wunderschönen Tag.«
    Meine Nachricht war nicht sehr detailliert, aber ich erwähnte meine Verbindung zur Polizei. Die Chance war nicht schlecht, dass sie sich aus meinem Mund offizieller anhörte, als sie war, aber Dr. Wascombs Ausbildung bereitete ihn auf kleinere Verstöße vor.
    Ich wiederholte meinen Namen und meine Telefonnummer, legte den Hörer auf und dachte über die Verderbtheit der Menschen nach.
    Kurz nach 21 Uhr rief Dr. Crandall Wascomb an, während ich mit Allison aus war. Die Frau von meinem Telefonservice sagte: »So ein netter Mann«, bevor sie mir die Nummer gab. Eine andere als die im Seminar. Es war fast 23 Uhr, aber ich rief trotzdem an, und eine Frau mit einer sanften Stimme nahm den Hörer ab.
    »Kann ich bitte Dr. Wascomb sprechen?«
    »Darf ich fragen, wer am Apparat ist?«
    »Dr. Delaware. Ich bin Psychologe.«
    »Eine Sekunde.«
    Sekunden später kam Wascomb an den Apparat und begrüßte mich, als wären wir alte Bekannte. Seine Stimme war ein lebhafter Tenor, der das Bild eines jüngeren Mannes heraufbeschwor.

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