Blutzeichen: Deadly Sins 2 - Roman (German Edition)
matt. Moira war nicht einmal sicher, ob sie ihn wirklich hörte oder das Flehen nur in ihren Gedanken existierte.
Die Frau legte beide Hände auf seinen Kopf und sagte: »Vestri animus est mei, adeo mihi.«
Deine Seele ist mein. Komm zu mir.
Craigs Seele stieg aus seinem Körper auf, kein Geist, sondern seine richtige Seele. Moira hatte noch nie gesehen, wie eine Seele aus einem Leib gerissen wurde, wusste aber, dass es möglich war. Und allein diese Möglichkeit hatte ihr schon manchen Albtraum beschert. Craigs verfluchte Seele war eine dunkelgrau leuchtende Dunstwolke. Sie wickelte sich um seinen Körper, wollte wieder zurück. Im nächsten Moment öffnete die Frau ihren Mund und sog den Nebel ein. Ihre Gestalt wurde zunächst dunkler, ehe sie aufschimmerte. Sie wurde noch schöner als zuvor, unnatürlich, atemberaubend schön.
Der Dämon drehte sich um, entdeckte Moira und riss vor Schreck die Augen weit auf. Moira umklammerte ihren Dolch fester. Sie begriff nicht, was hier vor sich ging. War sie in der Zeit zurückgewandert? Ausgeschlossen! Fast hätte sie gelacht. Nach allem, was sie in ihrem Leben schon gesehen und getan hatte, wäre es sehr wohl plausibel, dass sie auch noch ein paar Tage in die Vergangenheit rutschen konnte.
Dann erkannte sie die Frau. Es war dieselbe Brünette, die sie heute Morgen in ihrer Vision gesehen hatte: die Besessene.
Craig Monroe war vor zwei Tagen ermordet worden. Der Gedanke, dass sie eine Erfahrung oder Erinnerung mit diesem bösen Dämon teilte, jagte ihr eine schreckliche Angst ein, aber sie wich nicht zurück. Stattdessen schluckte sie ihre Angst herunter und sagte mit erstaunlich fester Stimme: »Deus, in nómine tuo salvum me fac, et virtúte tua age causam meam! Deus, audi …«
Der Dämon fiel ihr ins Wort: »Moira, Liebes, du verstehst das nicht.«
Moira hielt ihren geweihten Dolch bereit, um sich zu verteidigen und um notfalls auch zu töten. Sie wollte kein unschuldiges Leben nehmen, betete, dass sie das Opfer retten könnte, das der Dämon benutzte.
»Deus, audi …« , begann sie noch einmal mit brüchiger Stimme.
Der Dämon lachte. »Du närrisches Kind!« Die Frau verzog das Gesicht. »Jetzt muss ich mir ein neues Gefäß suchen. Das missfällt mir.«
Mit einem Handschwenk wurde Moira quer durch die Gasse katapultiert und krachte gegen eine Ziegelmauer. Es gab einen dumpfen Knall, als sie auf dem schmutzigen Beton aufschlug. Sie wollte wieder aufstehen, doch sie sah alles verschwommen, und ihr Kopf schmerzte. Moira schloss die Augen. Eine Hitzewelle überrollte sie, und vergebens bemühte sie sich, sich aufzurichten. Sie sackte gleich wieder zusammen.
Eine Minute noch, dann würde sie es schaffen …
ELF
R afe rannte zu Moira, als sie durch die Gasse und gegen die Mauer flog. Unbändige Wut und Angst erfüllten ihn, während er instinktiv nach potenziellen Gefahren Ausschau hielt. Moira versuchte sich aufzurichten, und brach zusammen. Bis er bei ihr war, rührte sie sich nicht mehr.
Rafe blickte zu der Mauer, auf die Moira gestarrt hatte. Dort war nichts. Er hatte geahnt, dass etwas nicht stimmte, aber sie hatte ihm explizit erklärt, dass sie Platz brauchte, um sich zu konzentrieren, und seine Nähe sie störte. Wäre er früher hier gewesen, läge sie jetzt nicht am Boden.
Ihre Aufgabe ist extrem gefährlich, und jede Ablenkung kann fatal sein.
Ricos warnende Worte waren nicht unbedingt das, woran er jetzt denken wollte. Ärgerlich verdrängte Rafe sie aus seinem Kopf. Leider fürchtete er nun, dass sein früherer Trainer recht hatte.
Er kniete sich neben Moira und fühlte ihren Puls, der stark, schnell, aber regelmäßig schlug. Gott sei Dank! Allerdings war sie bewusstlos, und das machte Rafe Sorgen. »Moira? Ich bin’s, Rafe!« Sie hatte eine böse Schürfwunde vom Aufprall an der Mauer und eine Beule am Hinterkopf. Als er seine Hand wieder aus ihrem Haar zog, klebte Blut an seinen Fingern, wenn auch nicht viel. Die Verletzung war nicht allzu schlimm.
Verdammt, er hätte sie nicht allein in die Gasse lassen dürfen!
Ihr Messer war ihr aus der Hand gefallen. Rafe hörte ein Geräusch hinter sich und steckte den kleinen Dolch rasch in seine Jackentasche.
»Gehen Sie langsam von der Frau weg!«, befahl eine tiefe Stimme. »Polizei. Lassen Sie die Hände da, wo ich sie sehen kann!«
Er zögerte, denn Moiras Waffe lugte unter ihrer Jacke hervor.
»Jetzt!«, rief der Cop.
Den Rücken zu dem Officer gewandt, ließ Rafe behutsam Moiras Kopf
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