Bobbie Faye 01 - Schlimmer Geht Immer
Mal erlebt, dass sie an etwas nicht beteiligt gewesen wäre. Aber zumindest hatte sie sich bei solchen Gelegenheiten stets in seiner Reichweite befunden, sodass er sie leicht hätte erwürgen können – was auch bedeutete, dass die Katastrophe (fast) vorüber war.
Nun allerdings hatte er keinen blassen Schimmer, wo zum Teufel sie stecken konnte. Und das war ein sehr schlechtes Zeichen.
Die Sanitäter hatten den bewusstlosen Trucker aus seinem zerstörten Führerhaus gezogen, völlig verblüfft darüber, dass er fast unverletzt geblieben und nur ohnmächtig war. Der Streifenpolizist, der den Truck durchsuchte, hatte die Ladepapiere noch nicht gefunden, aber der defekten Halterung nach zu urteilen, hatte die Ladung aus etwas ziemlich Großem bestanden und eine Schneise durch die alten Eichen und jungen Bäume am Ufer des Sees geschlagen. Es gab jedoch nichts, das die fehlenden Reifenspuren des roten Pick-ups erklärte oder darauf schließen ließ, wohin dieser verschwunden sein konnte. Die Crew des Helikopters hatte Cam versichert, den Wagen am anderen Ende der Straße, wo es zum Jachthafen ging, nicht gesehen zu haben. Und umgekehrt war er auch nicht. Cam hatte ein ziemlich mieses Gefühl im Magen. Was auch immer zum See hinuntergerauscht war, musste den Pick-up mit sich gerissen haben. Er hatte bereits Taucher angefordert, um dies genauer untersuchen zu lassen.
Als er hörte, wie sich der Ton der Officers, die sich hinter ihm unterhielten, veränderte, blickte er zu ihnen hinüber. Neben der demolierten Kabine des Sattelzugs stand ein Mann, den er sofort als FBI-Agenten identifizierte, ohne dass dieser seinen Ausweis hätte zücken müssen. Er war blond, klein (ein Schicksal, das die meisten Männer im Vergleich mit Cam teilten, der eins siebenundachtzig maß), schlank und zeigte seine Autorität mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass Cams Ego angekratzt wurde. Der FBI-Typ war gerade aus einem silbernen Ford Taurus ausgestiegen, der ganz nach Regierungsfahrzeug aussah. Er trug trotz der Frühlingshitze einen dunklen Blazer (es herrschten bereits fünfunddreißig Grad, und es war erst April) und besaß das bleiche Gesicht eines Buchhalters, der zu lange am Computer gesessen hat. Innerlich machte sich Cam über die Slipper des Mannes und den Schweiß lustig, der diesem in seinen weißen Kragen rann. Dann erinnerte er sich dankbar an seine letzte Beförderung (die er trotz einer Bobbie-Faye-Katastrophe erhalten hatte). Auch wenn das Tragen von Jeans, Stiefeln und einem Freizeithemd mehr eine Notwendigkeit als ein Vergnügen war – als Ermittler durfte er natürlich nicht auffallen –, gestaltete es sich in dieser Kluft verdammt viel leichter, einen Täter durch die Sümpfe zu verfolgen, als in Slippern. Einer der Streifenpolizisten hatte den Mann vom FBI zu Cam geschickt, der leise fluchte. Das hatte ihm jetzt gerade noch gefehlt.
»Special Agent Zeke Wright«, stellte sich der Blonde vor und zeigte kurz seine FBI-Marke, als er Cam erreicht hatte. Dieser seinerseits schüttelte ihm kurz die Hand.
»Wir haben schon seit Längerem ein Auge auf diese Bobbie Faye Sumrall«, begann Zeke.
»Ach ja? Wissen Sie, wo sie jetzt steckt?«, erkundigte sich Cam und unterdrückte ein Grinsen.
Zeke blickte sich um, hatte jedoch ganz offensichtlich nicht die geringste Ahnung. »Sie scheint verschwunden zu sein.«
»Saubere Arbeit«, meinte Cam.
»Wir glauben«, fuhr Zeke unbeirrt fort, während er sich vor Cam aufbaute und versuchte, ihn niederzustarren, »dass sie in großer Gefahr schwebt.«
»Bobbie Faye schwebt ständig in großer Gefahr. Da müssen Sie schon etwas genauer werden.«
»Ich bin hier, um Sie zu unterstützen.«
»Dann hoffe ich nur, dass Sie eine Gefahrenzulage bekommen.« Cam bemerkte, dass er ausweichend antwortete, und hielt erst mal den Mund.
»Sie ist nur eine Frau«, sagte Zeke, als ob nur und eine Frau in irgendeiner Weise auf Bobbie Faye zutreffen würde.
Special Agent Zeke Wright tat Cam in diesem Moment geradezu leid.
»Ich bin auf dieselbe Highschool gegangen wie Bobbie Faye. In nur einem Monat hat sie während ihres Hauswirtschaftsprojekts die Schule angesteckt, eine ganze Rinderherde dazu gebracht, den Wagen des Rektors in Grund und Boden zu trampeln, und geholfen, den Fisch für das Vorabend-Dinner der Football-Landesmeisterschaft zu kochen, und uns allen … dem gesamten Team … eine Lebensmittelvergiftung beschert. Und das waren noch ihre guten Zeiten.«
»Wie auch immer.«
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