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Body Farm

Body Farm

Titel: Body Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Farben, und ich dachte an die Hütten, die ich oben an der unbefestigten Straße in der Nähe des Montreat-Tors gesehen hatte, an Deborah mit ihrem Silberblick, an Creed. Manchmal konnte ich nicht verstehen, daß die Welt so überwältigend schön und zugleich so entsetzlich sein konnte. Wenn ich es nicht bald verhinderte, würde Creed ins Gefängnis wandern. Auch um Marinos Leben fürchtete ich. In diesem Moment wußte ich, daß ich alles tun würde, um ihn nicht so enden sehen zu müssen wie Ferguson.
    Plaudernd fuhren wir weiter und kamen kurz darauf an den Farmgebäuden vorbei, die zur Tierärztlichen Fakultät gehörten, und an den Mais- und Weizenfeldern, auf denen Agrarwissenschaftler experimentierten. Wie es Lucy in Edgehill wohl ging? Auch um sie hatte ich Angst. Anscheinend hatte ich um alle Angst, die ich mochte, ohne mich deshalb freilich anders zu verhalten als reserviert und logisch. Vielleicht war es meine größte Schwäche, daß ich nicht zeigen konnte, was ich zeigen sollte, und ich fürchtete, daß niemand je begreifen würde, wie sehr mir alles an die Substanz ging. Rechts und links der Straße pickten Krähen auf den Feldern. Die Sonne, die auf die Windschutzscheibe fiel, blendete mich.
    »Was halten Sie von den Fotos, die ich Ihnen geschickt habe?« fragte ich.
    »Ich habe sie bei mir«, sagte Dr. Shade. »Wir haben ein paar Gegenstände unter den Körper des Mannes gelegt, um zu sehen, was passiert.«
    »Nägel und ein Eisenrohr«, sagte Katz. »Einen Kronkorken, Münzen und anderes Metall.«
    »Warum Metall?«
    »Ich bin ziemlich sicher, daß es Metall war.«
    »Hatten Sie eine Theorie, bevor Sie mit den Experimenten begannen?«
    »Ja«, sagte Dr. Shade. »Das Mädchen hat auf etwas gelegen, das zu oxydieren anfing. Auch ihr Körper tat das gewissermaßen, nachdem sie tot war.«
    »Was zum Beispiel? Was könnte zu diesem Mal geführt haben?«
    »Das weiß ich wirklich nicht. In ein paar Minuten werden wir eine Menge mehr wissen. Aber die seltsame Verfärbung auf dem Hinterteil der Kleinen rührt von etwas her, das oxydierte, als sie darauf lag. Das ist jedenfalls meine Meinung.«
    Wir bogen in einen Parkplatz ab, der für die Angestellten des Krankenhauses, zu dem er offenbar gehörte, im Sommer bestimmt sehr ungemütlich werden konnte. Um den gepflasterten Bereich lief einer hoher, ungestrichener Holzzaun, der oben mit Stacheldrahtrollen gesichert war, und hinter dem Zaun lag die »Farm«. Eine Wolke fauligen Geruchs schien die Sonne zu verfinstern, als wir ausstiegen. So oft ich ihn auch gerochen hatte, gewöhnen konnte ich mich nie an ihn. Ich hatte gelernt, ihn nicht zu ignorieren, mich aber mental dagegen abzuschotten, wobei ich nie versuchte, ihn mit Zigarren Parfüm oder dem branchenüblichen Mentholbalsam zu verdrängen. Gerüche gehörten zu den Dingen, durch die Tote zu uns sprachen, genau wie Narben oder Tätowierungen.
    »Wie viele Gäste haben wir denn heute?« fragte ich Dr. Shade, der in ein riesiges Vorhängeschloß am Gatter die Zahlenkombination eintippte.
    »Vierundvierzig«, sagte er.
    »Sie sind schon eine ganze Weile hier, bis auf Ihre beiden«, ergänzte Katz. »Die sind genau seit sechs Tagen bei uns.«
    Ich folgte den Männern in ihr bizarres Reich. Der Geruch war nicht allzu schlimm, weil die Luft die Leichen kühl hielt und der größte Teil der Kundschaft schon lange genug da war, um die übelsten Stadien des Verwesungsprozesses hinter sich zu haben. Trotzdem war das, was es zu sehen gab, ausgefallen genug, daß ich immer wieder stehenbleiben mußte. Hier stand eine abgestellte Rollbahre, dort ein Leichenwagen, daneben stapelten sich rote Ziegel. Mehrere Leichen lagen in mit Plastikbändern gesicherten Gruben, von Steinblöcken unter Wasser gehalten. Alte rostende Wagen bargen faulende Überraschungen in ihrem Kofferraum oder hinter dem Steuer. Am Lenkrad eines weißen Cadillac saß zum Beispiel das nackte Skelett eines Mannes. Das Gelände war offenbar dicht bevölkert, und alle paßten sich so gut ihrer Umgebung an, daß ich sicher einige übersehen hätte, hätte nicht hier ein Goldzahn geglänzt oder dort ein offener Kiefer geklafft. Einzelne Knochen lagen herum wie Kraut und Rüben. Aber es gab wohl keinen mehr, der sich an dieser despektierlichen Unordnung gestört hätte, außer vielleicht die ehemaligen Besitzer amputierter Gliedmaßen, die hoffentlich noch unter den Lebenden weilten.
    Unter einem Maulbeerbaum lag ein Schädel und grinste mich an; das

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