Body Farm
großflächiger Einschnitt.
»Nähen ist hier nicht das Optimale«, sagte ich und holte Antiseptika, Pflaster und Benzoin-Kleber heraus. »Wann ist es passiert?«
»Heute nachmittag. Ich kam nach Hause und versuchte, eine Dose zu öffnen.«
»Wissen Sie, wann Sie das letzte Mal eine Tetanusspritze bekommen haben?«
»Nee.«
»Lassen Sie sich morgen eine geben. Ich würde es auch tun, aber ich habe so etwas nicht bei mir.«
Er sah mich nach Papiertüchern suchen. Die Küche bestand praktisch aus nichts als einem mit Holz befeuerten Herd und einem Becken, in das das Wasser mit einem Schwengel hochgepumpt werden mußte. Ich wusch mir die Hände und schüttelte sie trocken, so gut es ging. Dann kniete ich mich neben ihn auf die Matratze und nahm mir seine Hand vor. Sie war muskulös und schwielig, mit schmutzigen, abgebrochenen Nägeln.
»Das tut jetzt ein bißchen weh«, sagte ich. »Und ich habe nichts gegen Schmerzen dabei. Wenn Sie etwas haben, nehmen Sie es.« Ich sah zum Krug mit der klaren Flüssigkeit hinüber.
Er folgte meinem Blick und griff dann mit der unverletzten Hand danach. Er nahm einen Schluck, und der weiße Fusel, Korn, oder weiß der Teufel was, trieb ihm Tränen in die Augen. Ich wartete einen weiteren Schluck ab, ehe ich die Wunde reinigte und den Hautlappen mit Flüssigverband und Heftpflaster fixierte. Als ich fertig war, entspannte er sich. Ich verband den Daumen mit Gaze und hätte gern eine Ace-Bandage zur Hand gehabt.
»Wo ist deine Mutter?« fragte ich Deborah, während ich Verpackungen und Nadel in meine Tasche zurücksteckte. Ich sah nämlich keinen Mülleimer.
»Ist in der Burger Hut.«
»Arbeitet sie dort?«
Sie nickte. Eines ihrer Geschwister stand auf und schaltete auf einen anderen Kanal.
»Sind Sie Creed Lindsey?« fragte ich meinen Patienten beiläufig.
»Warum wollen Sie das wissen?« Er näselte genau wie die Kleine. Ich hielt ihn nicht für so geistig unterbelichtet, wie Lieutenant Mote hatte anklingen lassen.
»Ich muß mit ihm reden.«
»Wozu?«
»Weil ich glaube, daß er mit Emily Steiners Tod nichts zu tun hat. Aber ich glaube, er weiß etwas, das uns weiterhelfen könnte, den Täter zu finden.«
Er griff nach dem Schnapskrug. »Was soll er denn wissen?«
»Das würde ich ihn gern fragen«, sagte ich. »Ich glaube, er hat Emily gemocht und ist entsetzt über das, was passiert ist. Und ich glaube auch, daß er vor den Leuten davonläuft, wenn er über etwas entsetzt ist, wie zum Beispiel jetzt. Vor allem, wenn er meint, er könnte in irgendwelchen Schwierigkeiten stecken.«
Er starrte auf den Krug und schwenkte den Inhalt langsam hin und her.
»Er hat ihr an dem Abend überhaupt nichts getan.«
»An dem Abend?« fragte ich. »Meinen Sie den Abend, an dem sie verschwand?«
»Er hat sie mit der Gitarre gehen gesehen und angehalten, um ihr Hallo zu sagen. Aber er hat ihr nichts getan. Er hat sie auch nicht mitgenommen oder so.«
»Hat er es ihr angeboten?«
»Hat er nicht, weil er wußte, sie hätte sein Angebot abgelehnt.«
»Warum?«
»Sie mag ihn nicht. Sie mag Creed nicht, obwohl er ihr Geschenke macht.« Seine Unterlippe zitterte.
»Ich habe gehört, daß er sehr nett zu ihr war. Ich habe gehört, er gab ihr Blumen in der Schule. Und Süßigkeiten.«
»Er hat ihr nie Süßigkeiten gegeben, weil sie sie nicht angenommen hätte.«
»Sie hätte sie nicht genommen?«
»Nein. Nicht einmal die, die sie mochte. Habe gesehen, wie sie sie von anderen genommen hat.«
»Fireballs?«
»Wren Maxwell hat sie bei mir gegen Zahnstocherlutscher getauscht, und ich sah, wie er ihr die Süßigkeiten gab.«
»War sie allein, als sie an dem Abend mit der Gitarre nach Hause ging?«
»Ja.«
»Wo?«
»Auf der Straße. Ungefähr eine Meile von der Kirche.«
»Dann ist sie also gar nicht den Weg gegangen, der um den See führt?«
»Sie war auf der Straße. Es war dunkel.«
»Wo waren die anderen Kinder aus der Jugendgruppe?«
»Sie waren weit hinter ihr. Die, die ich gesehen habe. Ich habe aber nur drei oder vier gesehen. Sie ging schnell und weinte. Ich bremste, als ich sah, daß sie weinte. Aber sie ging weiter, und ich fuhr weiter. Ich habe ihr einige Zeit nachgeschaut, weil ich Angst hatte, daß was nicht stimmte.«
»Wie kamen Sie darauf?«
»Weil sie weinte.«
»Haben Sie sie beobachtet, bis sie zu Hause war?«
»Ja.«
»Sie wissen, wo sie wohnte?«
»Das weiß ich.«
»Was ist dann passiert?« fragte ich. Ich wußte ja sehr gut, warum die Polizei
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