Böser Engel
deine Reue unter Beweis stellen.«
Das Jugendtreffen! Das hatte ich beinahe vergessen.
»Mr. Brightly, hören Sie mir bitte zu«, entgegnete ich. »Sie müssen unbedingt dafür sorgen, dass die Gruppen nicht zusammenkommen. Falls doch …«
»Ja, ja, die Dämonen«, erwiderte Brightly. »Mach dir deshalb keine Sorgen. Solange nichts passiert, das den Hass der Wernsbridger anstachelt, wird es den Dämonen nicht gelingen, in unsere Welt vorzudringen. Es ist jedoch lobenswert, dass du dir Gedanken darüber machst. Vielleicht ist deine Seele doch noch nicht komplett verloren. Ah, das Wasser kocht. Halt dich bereit, Stuart.«
»Aber … ich bereue alles, was ich getan habe!«, rief ich schnell.
»Das ändert nichts daran, dass du bestraft werden musst«, sagte Mr. Brightly. »Du hast es verdient.«
Während ich beobachtete, wie sich meine Mom mit dem Wasserkocher näherte, glaubte ich tatsächlich, dass ich eine solch drakonische Strafe verdient hatte. Erst, als sie vor mir stand, um mir das heiße Wasser über die Hose zu gießen, konnte ich wieder klar denken. Nein, ich hatte keine Strafe verdient! Und abgesehen davon gab es auch nichts, was ich bereute.
Anscheinend war ich nicht der Einzige, der dieser Ansicht war. Mom sah plötzlich vollkommen erschüttert aus. Sie trat einen Schritt zurück und schleuderte den Kessel von sich.
»Was … was tue ich hier eigentlich?«, rief sie.
Ich ahnte, was soeben geschehen war. Es gab nur einen, der den Einfluss des Engels schwächen konnte. Fon Pyre. Aus dem Blick auf Brightlys Gesicht schloss ich, dass er dasselbe dachte. Oder es in meinen Gedanken gelesen hatte. Wie dem auch sei, das Ergebnis war dasselbe.
»Der Dämon!«, rief Mr. Brightly und machte einen Satz nach vorne.
Im selben Moment gab der Boden unter meinen Füßen nach, und ich stürzte in das darunterliegende Apartment. Aus den Augenwinkeln sah ich gerade noch, wie Fon Pyre unter der Decke hing und mich dabei beobachtete, wie ich in die Tiefe stürzte. Er hatte das Loch in die Decke geschnitten, so viel stand fest. Als ich auf dem Boden aufprallte, zerbrach der Stuhl, und mir blieb die Luft weg. Wie gelähmt lag ich am Boden. Fon Pyre ließ sich fallen und befreite mich von meinen Fesseln.
»Los, steh auf, wir müssen hier raus«, zischte er. »Am besten noch heute.«
Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte, dass Fon Pyre offenbar die Seiten gewechselt hatte. Er hätte mich ohne mit der Wimper zu zucken meinen Peinigern überlassen können. Stattdessen tat er alles, um mich zu retten.
Mein Kopf rollte auf die Seite, und mein Blick fiel auf die Tür des Wandschranks. Ich fragte mich, ob da womöglich auch jemand drin war. Chester, Jane oder vielleicht sogar Father Reedy.
»Los, wach auf und beweg deinen Hintern«, drängelte Fon Pyre und zerrte an meinem Hemd. »Wir müssen uns beeilen, sonst … O nein!«
Ich schaute nach oben und erblickte Brightly, der sich daranmachte, durch das Loch zu klettern. Nicht mehr lange, und er wäre unten bei uns. Wir durften keine Zeit verlieren. Wie von der Tarantel gestochen rollte ich mich auf die Seite und rappelte mich hoch. Als Fon Pyre auf meinen Rücken sprang, bemerkte ich, dass er seinen Fuß behelfsmäßig bandagiert hatte und dass der Verband mit einer grünen Flüssigkeit getränkt war – vermutlich Dämonenblut.
Gerade als Brightly sich fallen ließ, schoss ich los in Richtung Tür. Daneben stand ein Bücherregal, das ich mit einer Hand von der Wand stieß, während ich mit der anderen die Tür öffnete. Das Regal fiel auf den Engel und begrub ihn unter einer Lawine von Groschenromanen.
Ich stürzte zur Tür hinaus und hielt auf die Treppe zu. Mir war klar, dass ich lediglich ein paar Sekunden dazugewonnen hatte. Ich musste uns aus dem Gebäude bringen, ehe ich …
… ehe was?
»Was machen wir jetzt?«, fragte ich Fon Pyre, während ich die Stufen nach unten hastete.
»Rennen!«, antwortete Fon Pyre.
»Das ist mir auch klar«, sagte ich, als wir im dritten Stock ankamen. »Aber wohin? Der Engel kann uns überallhin folgen.«
»Bring uns aus der Stadt hinaus«, meinte Fon Pyre. »Dann werden wir … uns die Sache aus der Ferne ansehen.«
Auf dem Treppenabsatz der ersten Etage entdeckte ich einen hünenhaften Mann, der mit ausgestreckten Armen bereits auf mich wartete. Geistesgegenwärtig schwang ich mich über das Treppengeländer und sprang hinab. Es musste alles so schnell gehen, dass mir gar keine Zeit blieb, mich daran zu
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