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Böser Mann - Provinzkrimi

Böser Mann - Provinzkrimi

Titel: Böser Mann - Provinzkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Thema.
    »Was hast denn sonst heute gemacht?«
    »Nix, nachgedacht hab ich, und gewartet hab ich. Und gerechnet hab ich.«
    »Jetzt trink endlich mal dein Bier, Mama. Und dann erklärst mir, was du gerechnet hast.«
    Nachdem sie mit dem Jackenärmel über ihren Mund gefahren war, bat sie Luginger, einen Zettel vom Küchentisch zu holen.
    »Was sind das für Zahlen? 7,3 Jahre. Was bedeutet das bittschön? «
    »So lange tät der Erlös reichen, wenn ich mein Haus verkauf und nach Wasserburg in die Residenz zieh.«
    »Und dann bist pleite oder was?«
    »Dann bin ich tot, Bub. Neunzig werd ich nie und nimmer. Niemand aus unsrer Familie ist so alt worden, und das Alter liegt in den Genen.«
    »Also tät’s reichen. Und falls dich täuschst und doch noch lebst, kriegst eine Spritzn. Hast dir das so vorgestellt? Und was hast da noch aufgeschrieben? 350 000! Ist das der Preis für dein Haus?«
    Seine Mutter nickte.
    »Und die 48 000 sind zwölf mal 4000. So viel kostet deine Residenz im Monat. Hab ich das recht verstanden?«
    Erneut nickte seine Mutter, ehe sie hinzufügte: »Ungefähr.«
    »Pi mal Daumen«, ergänzte Luginger.
    »Pi mal Daumen«, bestätigte die alte Frau.
    »Sauber«, sagte Luginger und schaute seine Mutter streng an.
»Trinken, Mama. Wenn du schon kein Wasser magst und den Tee immer wegschüttst, trink wenigstens dein Bier. Sonst verdurstest, und nix wird’s mit der Residenz.«
    Luginger sah, wie sich ihr Glas leerte, und bot an, eine weitere Flasche zu öffnen.
    »Bist narrisch. Weißt, wie schwach meine Blase ist. Noch ein Schluck, und ich renn drei-, viermal aufs Klo in der Nacht.«
    Luginger richtete ihr Bett, das seit Monaten im Wohnzimmer neben einer Regalwand stand, auf der außer unzähligen Bildern ihrer Kinder und Enkel einige Bücher, Nippes und zwei teuer gerahmte Fotografien seines Vaters standen. Strenger Scheitel, dichtes Haar, freundlicher Blick, weißer Hemdkragen mit dickem Krawattenknoten. Fünfundsiebzigster Geburtstag. Daneben als junger Mann mit freiem Oberkörper auf eine Schaufel gestützt. Im Hintergrund eine halb hochgezogene Mauer. 1953.
    »Soll ich dir ins Nachthemd helfen?«
    Seine Mutter verneinte.
    »Brauchst noch was, Mama?«
    »Tust mir einen Gefallen?«
    »Jeden. Das weißt doch.«
    »Hol ein Ei aus dem Kühlschrank.«
    »Was? Ein Ei! Mama, geht’s noch?«
    »Ich zeig dir was. Was, worüber ich nachdenk.«
    Luginger brachte ein Ei und legte es auf den Tisch. Dann sah er zu, wie seine Mutter das Ei anschubste. Ehe er reagieren konnte, fiel es zu Boden auf eine Zeitungsseite, die sie gerade erst unter den Tisch gelegt haben musste. Das Ei war kaputt.
    »Siehst«, sagte sie, »alles bewegt sich von einer Ordnung hin zur Unordnung. Was meinst, wie lange wir warten müssen, bis das Ei wieder ganz ist?«

    »Mama«, rief Luginger, »drehst jetzt durch? Dass ein Ei, das du auf den Boden schmeißt, kaputtgeht, hättest mir nicht zeigen müssen.«
    »Doch«, erwiderte Anna Luginger. »So erkennt man das besser. Das ist Physik. Ein Gesetz. Zuerst die Ordnung, dann die Unordnung. Und aus der Unordnung entsteht keine neue Ordnung. Verstehst das, Bub?«
    Luginger stöhnte. »Was machst jetzt mit dem Ei?«
    »Das gilt immer«, füsterte sie. »Auch für Sammy. Wenn er erst mal unten liegt, ist’s vorbei.«
    Luginger fuhr ihr mit der Hand durchs graue Haar. »Mama, dein Dr. Brettmann ist bestimmt ganz ein Gescheiter. Ordnung, Unordnung und so. Aber Sammy ist kein Ei, verstehst das?«

Donnerstag
    A m nächsten Morgen regnete es. Kurz nachdem er aufgewacht war, hatte Barbara angerufen und ihm einen schönen Tag gewünscht. Sie war ganz aufgekratzt, und als Luginger wissen wollte, woher ihre gute Stimmung kam, hatte sie geantwortet: von unserem letzten Abend. Leichen befeuern unsere Liebe, komisch, oder? Du warst offener als sonst und hast mehr erzählt. Zwar nicht von dir, aber was du über andere gesagt hast, sagt ja auch was über dich.
    Der Weg zu Menzingers zog sich. Mit einem Schirm in der Hand ging er die Rosskopfstraße entlang, vorbei am Fahrradladen, der Muckibude und dem Seniorenstif, ehe er von Weitem eine vorüberfahrende S-Bahn hörte. Kein Mensch war auf der Straße. Wie Bindfäden fiel Wasser vom Himmel. Die Kirchturmuhr schlug neun. Seine Slipper weichten langsam durch, und seine Füße wurden nass.
    Der letzte Abend beschäfigte ihn noch immer. Moni und Faulhuber hatten kommentarlos zur Kenntnis genommen, dass Sammys Alibi geplatzt war. Offenbar hatten sie mit

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