Böses Herz: Thriller (German Edition)
war er in eine Grube gesprungen, in der Leichnam auf Leichnam gelegen hatte.
Er hatte den halb verwesten Haufen aus toten Babys und nackten Greisinnen, aus kräftigen Männern und schwangeren Frauen durchwühlt, um einen Hinweis darauf zu finden, welcher der kriegführenden Stämme hinter diesem Massaker steckte. Schließlich hatte er den Auftrag bekommen, das herauszufinden. Nicht dass die Antwort viel zu bedeuten hatte, weil an den Angehörigen der Täter schon bald Vergeltung geübt wurde, die nicht weniger grausam war.
Damals hatte er keine wichtigen Erkenntnisse gewinnen können. Seine Suche hatte lediglich eine Feldflasche zutage gefördert, die wie durch ein Wunder all die Kugelsalven überlebt hatte, die aus automatischen Waffen in die Grube gefeuert worden waren. Weil seine eigene Feldflasche fast leer gewesen war, hatte er den Riemen über die Schulter eines toten Mannes, nein, eines Jungen gezogen, der dem Aussehen nach nicht älter als zwölf oder dreizehn gewesen war, und sich die Flasche dann über seine eigene Schulter gehängt, bevor er aus dem Massengrab geklettert war.
Das hier war damit nicht zu vergleichen. Aber das brauchte Honor nicht zu wissen.
»Wo ist Stans Zimmer?«
Zwei Stunden später sah Stan Gillettes Haus nicht viel anders aus als Honors, nachdem Coburn es durchsucht hatte. Und die Suche hatte genauso viel erbracht. Nichts.
Er hatte geglaubt, dass sie vielleicht auf Stans Computer belastende Informationen finden würden, aber sie hatten nicht einmal ein Passwort gebraucht, um an die Daten zu gelangen. Coburn hatte den Dokumentenordner durchsucht und im Grunde nur ein paar Leserbriefe gefunden, in denen Stan sich lobend oder missbilligend über verschiedene Zeitungskommentare geäußert hatte.
Die E-Mails beschränkten sich auf Schriftwechsel mit anderen Ex-Marines, bei denen es um zukünftige oder vergangene Treffen ging. Es gab einen ausführlichen Bericht über die Prostatakrebs-Erkrankung eines ehemaligen Kameraden und eine Nachricht vom Tod eines anderen.
Entsprechend informierte sich Gillette bei seinen Besuchen im Internet vor allem über das Marine Corps, diverse Veteranen-Organisationen und die Weltnachrichten, jedenfalls nicht über Menschenhandel oder illegale Drogen und Schmuggelrouten.
Ihre erhoffte Schatzsuche drohte sich als dicker, fetter Fehlschlag herauszustellen.
Schließlich blieb nur noch ein Ort, an dem sie nicht gesucht hatten – die Garage. Coburn hatte noch nie in einem Haus mit Garage gewohnt, aber er wusste, wie die meisten Garagen aussahen, und diese hier wirkte ziemlich gewöhnlich, abgesehen von einem entscheidenden Unterschied: der ungewöhnlichen Ordnung, die darin herrschte.
Auf dem zweiten Stellplatz ruhte ein blitzblankes Angelboot auf einem Anhänger. Die Jagd- und Angelgeräte waren so adrett an der Wand aufgestellt, dass es an einen Freizeitladen erinnerte. An der Rückwand einer Werkbank standen säuberlich aufgereiht beschriftete Lackdosen. Die Werkzeuge hingen korrekt an einer Steckwand. Der benzinbetriebene Rasenmäher und der Kantenschneider ruhten mitsamt einem roten Benzinkanister auf einem Podest aus Ziegelsteinen.
»Scheiße«, entfuhr es Coburn leise.
»Was ist denn?«
»Es würde Tage dauern, das alles zu durchforsten.« Er nickte zu dem kleinen Hängeboden hin, der in einer Ecke knapp unter der Decke montiert war. »Was liegt da oben?«
»Hauptsächlich Eddies Sportsachen.«
In die Wand war eine aus Kanthölzern konstruierte Leiter eingelassen. Coburn kletterte sie hoch und krabbelte auf den Hängeboden. »Gib mir ein Messer.« Honor holte eines von der Werkbank und reichte es nach oben. Er nahm es und durchtrennte damit das Klebeband über einem großen Karton. Darin lagen eine Bogenzielscheibe, ein Baseball, ein Basketball, ein Fußball und ein Football.
»Achtung.«
Er warf einen nach dem anderen hinunter. Ganz unten im Karton ruhte noch eine Bowlingkugel. Die Fingerlöcher waren leer. Coburn öffnete einen zweiten Karton, förderte den entsprechenden Dress für jede Sportart zutage, außerdem einen Baseballhandschuh, einen Football-Helm und Schulterpolster. Er durchsuchte alles. Ohne etwas zu finden.
Als er wieder nach unten kam, hielt Honor den Football in beiden Händen und drehte ihn hin und her. Ihr Finger strich über die Ledernähte. Lächelnd erklärte sie ihm: »Eddie war der Quarterback in seinem Highschool-Team. In seinem letzten Jahr schafften sie es in die Bezirksliga. Damals kamen wir zusammen.
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