Böses Herz: Thriller (German Edition)
die ihnen zugeteilten Gebiete, um die Suche nach dem Mörder ihres Blutsverwandten fortzusetzen.
Doral verabschiedete sich von seiner weinenden Mutter, befreite sich aus ihren klammen, klammernden Händen und fuhr gleichzeitig mit den anderen wieder los, allerdings allein. Obwohl er angetrunken war, raste er ohne Schwierigkeiten über die gewundenen Nebenstraßen. Er war schon immer auf diesen Straßen gefahren und kannte jede einzelne Kurve. Und er war schon wesentlich betrunkener als heute darauf gefahren. Zusammen mit Fred. Zusammen mit Eddie.
Bei dem Gedanken an Eddie fiel ihm wieder jener Angelausflug ein, der auf dem von Crawford als Beweisstück eingesteckten Foto verewigt war. In Dorals Erinnerung war dieser Tag einer der besten, die sie je zusammen erlebt hatten.
Seine Gedanken wanderten weiter zu seinem Angelboot und den Jahren vor Katrina. Er und Fred waren immer arm gewesen und hatten ihr ganzes Leben buckeln müssen, um wenigstens halbwegs über die Runden zu kommen. Fred hatte bei der Polizei angeheuert, um endlich finanzielle Sicherheit zu finden. Aber Uniformen und Nachtschichten waren nichts für Doral. Er war lieber flexibel geblieben.
Den Kredit, mit dem er das Boot gekauft hatte, hatte ihm ein Banker vermittelt, der die Arschbacken so fest zusammenkniff, dass es beim Laufen quietschte. Er hatte Wucherzinsen verlangt, doch Doral hatte nie eine Rate ausfallen lassen.
Jahrelang hatte er Charterfahrten durch den Golf angeboten und sich mit reichen, besoffenen Arschlöchern herumgeärgert – Ärzten, Anwälten, Börsenheinis und Ähnlichem –, die glaubten, was Besseres zu sein als ein Bootskapitän mit schwieligen Händen und Cajun-Akzent. Er hatte ihre Beleidigungen ertragen, er hatte es ertragen, dass sie ihren teuren Whisky auf sein Deck gekotzt hatten, und er hatte es ertragen, wenn sie sich über die Hitze und die Sonne, über die Wellen und die nicht beißenden Fische beschwert hatten. Er hatte sich diese Scheiße angehört, weil er damit seinen Lebensunterhalt verdient hatte.
Irgendwie war er Katrina sogar dankbar, dass sie sein Boot zerschmettert und der Sache ein Ende bereitet hatte. Keine stinkreichen, arroganten Ärsche mehr, in die Doral Hawkins zu kriechen brauchte, schönen Dank auch.
Damals war man mit einer Idee zum Geldverdienen an ihn und Fred herangetreten. Die Arbeit wäre wesentlich aufregender und lukrativer als alles, was sie sich selbst hätten erträumen können. Selbst in einer Gegend, wo Schmiergelder so weit verbreitet waren wie Krabben, bot der Plan die sichere Möglichkeit, stinkreich zu werden.
Dass Gefahren damit verbunden waren, konnte Doral nicht schrecken. Der Lohn wog jedes Risiko auf. Er tanzte gern auf dem Drahtseil und genoss die Ironie, dass er tagsüber ein öffentlicher Angestellter war und nachts ganz andere Dinge trieb.
Die Stellenbeschreibung für seinen nächtlichen Nebenjob umfasste Einschüchtern, Verstümmeln und notfalls auch Töten. Er war von Natur aus ein Fährtensucher und Jäger, und endlich konnte er mit seinem Talent Geld verdienen. Der einzige Unterschied war, dass er seither menschliche Beute jagte.
Und heute jagte er über die Nebenstraße, um diesen Lee Coburn aufzuspüren. Zusammen mit der Witwe und dem Kind seines besten Freundes.
Als sein Handy läutete, ging er nur kurz vom Gas, um den Anruf anzunehmen, doch nachdem er gehört hatte, was ihm der Anrufer Dringendes mitteilen wollte, knallte er den Fuß aufs Bremspedal und brachte den Wagen schleudernd zum Stehen, wodurch eine Staubwolke aufgewirbelt wurde, die kurzfristig alle Scheiben verdunkelte. »Willst du mich verscheißern?«
Im Hintergrund dröhnte Lärm, aber der flüsternde Anrufer war trotzdem zu verstehen. Nicht dass Doral irgendwas von dem hören wollte, was er zu berichten hatte.
»Ich dachte nur, du solltest das wissen, damit du es weitergeben kannst.«
»Danke für gar nichts«, knurrte Doral. Er trennte die Verbindung, lenkte den Wagen von der Straße und brachte ihn mit laufendem Motor am Rand eines Grabens zum Stehen, wo er erst einmal eine dringend benötigte Zigarette anzündete und dann die vertraute Nummer wählte.
Schlagartig war er wieder stocknüchtern.
Er verzichtete auf alle Höflichkeiten. »Es geht das Gerücht um, dass Coburn ein FBI-Agent sein soll.«
Am anderen Ende war kein Wort zu hören, nur langsames Ein- und Ausatmen. Bösartig.
Vor seinem inneren Auge sah Doral einen Vulkan kurz vor der Eruption, wischte sich eine Schweißperle von
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